Leben und Werk von Nikolaus Reinartz, Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von nikola-reinartz.de und nikolaus-reinartz.de - eMail: hkbergheim@gmx.de





Das Ende
Von Pfarrer Nikola Reinartz † 4.8.54

4. Ostern 1. April 1945 und Weißer Sonntag 22. April 1945.

Ostern 1. April. Fast wie vor dem Kriege und der Nazi-Tyrannei, nur die Einschränkung der Ausgehzeit, die noch geblieben ist, gebietet eine Verkürzung des Gebetes von 6 ½ - 6 Uhr. Auch müssen Kerzen gespart werden, da noch keine Aussicht, den geringen Vorrat wieder zu ergänzen. Zum Glück hatten wir noch eine Osterkerze ungebraucht. Auch fehlten die hl. Öle, da jede Verbindung mit unserm Erzbischof mangelt. Erhalten auch keinen kirchlichen Anzeiger, die Kollektengelder häufen sich auf - die Kollekte für die dürftigen Kirchen hat über 1.400 Mark gebracht - doch sagt man, nicht bestätigt, die Sparkasse in Euskirchen hätte wieder aufgemacht, die Banken würden diese Woche folgen. Die Kirche machte infolge der Wegnahme der Verdunkelung, die zwecklos geworden ist, wieder einen festlichen Eindruck. Die erste Messe war besucht wie nie zuvor, manche kommen wieder ihr Ostern halten nach Jahren.

Sonst ist es still geworden von fremden Truppen bei uns. Neulich waren nochmals Kessel, Dederichs und die Schule zur Räumung aufgefordert worden, der Befehl wurde aber noch am nämlichen Tage zurückgenommen, weil die militärische Lage berichtet, ist in Euskirchen auf der Kommandatur umsonst zu haben. Wir haben Palmsonntag die Römerfahrt zum Kreuz auf dem Burgberg unter großer Beteiligung gehalten; auf meine Anfrage führte auch die Lehrerin wieder die Kinder, auch war die Hebamme an diesem Tage wieder mit dem Täufling angetreten.

Sonntag, 22. April. Das Leben kehrt immer mehr in die gewohnten Bahnen zurück. Weissen Sonntag hatten wir Kinderkommunion; bei schönem sonnigen Wetter wehte die in der Zeit der kirchentrauer schmerzlich vermißte Pfarrfahne wieder majestätisch hoch vom turme, die Kirchenfenster lassen wieder frei das Licht einströmen, da die Verdunklungsvorschrift nur mehr theoretische Bedeutung hat. Auch die Schäden am Kirchdach sind Dank der mutigen Arbeit von Trimborn Vater und Sohn ausgebessert, wofür ich denselben öffentliche Anerkennung ausgesprochen habe. Die Schule hat noch nicht begonnen, da grundsätzlich kein Lehrer - wie auch kein Beamter angestellt werden soll, der bei der Partei gewesen ist. Ich glaube jedoch nicht daß dieser Grundsatz, der große Gefahren mit sich bringt, sich durchführen läßt. Einstweilen ist Mortier ein Nichtfachmann zur Kontrolle beigegeben, Zander, der vielgewandte durch Gülden ersetzt, im Dorfe spricht man auch schon von Nachfolgern für Gilles und Esser. Bereits ist der Kreistag konstituiert, der Landrat und ein Deputierter aus der Zentrumspartei und ein Kommunist bestellt. Eine wichtige Rolle hat Th. Esser, der Vorsitzender des Kreisausschusses sein soll und dessen Rat vom Kommandanten immer gehört wird. Ich habe mich auch in Sachen des verhafteten Obersten von Birkhan und des Franz Spilles an ihm um Vermittlung gewandt, bei letzterm unter Berufung auf dessen wertvolle Tätigkeit für die katholische Jugendsache.

Seit Freitag haben wir auch wieder das langersehnte elektrische Licht und die Möglichkeit Radio zu hören, nebst genauer Zeitangabe, für die wir ja bisher ganz auf ungefähre Einstellung angewiesen waren. Die Radiomöglichkeit kam noch gerade zur rechten Zeit, um die ganz verborte Göbbelsrede zu Hitlers Geburtstag zu hören, in welcher er wirklich von der schönen siegreichen Zukunft Deutschland faselte. Diese Woche soll auch die Molkerei wieder eröffnet werden, womit die Butterverteilung wieder gewährleistet ist, die bis jetzt sehr im Argen lag, da tatsächlich manche Leute seit Wochen keine Butter hatten und das Brot in den Kaffee tunkten. Ein schlimmes Nachspiel hatte der Weiße Sonntag, das sobald nicht vergessen werden dürften.

In den Abendstunden - es war an diesem Tage zuerst die Ausgangszeit auf 8 ½ Uhr verlängert worden - hatte drei Knaben sich an die noch massenhaft in Feld und Wald umherliegende Munition gegeben, als ein Geschoß explodierte und alle drei schwer verletzte. Einer, den man zunächst noch als leicht verwundet angesehen hatte, und der infolgedessen auch nicht verbunden worden war, starb noch in derselben Nacht an innerer Verblutung, der zweite, dem beide Hände abgesehen von dem kleinen Finger einer Hand, abgerissen wurden, der außerdem noch an der Schläfe verwundet wurde, starb nach 8 Tagen bewußlosen Tobens, der dritte, ursprünglich als im Sterben liegend bezeichnet, hat Aussicht auf Genesung, wird aber wohl die Zeugungsfähigkeit verlieren. Es gab die Veranlassung auf die verheerende militärische Erziehung der Jugend hinzuweisen, wie ich mich überhaupt bemühte in den Predigten möglichst aufklärend über den Irrweg, den das deutsche Volk geführt wurde, zu wirken und das Gift des Nazismus aus den Gemütern zu entfernen.

Das Ende des Naziregimes - Ein unveröffentlichter Bericht von Pfarrer Nikola Reinartz





Ein Projekt von
woenge.de Dorfchronik u. wingarden.de Heimat-forschung Kreuzweingarten

© nikola-reinartz.de
©
nikolaus-reinartz.de
©
Kreisarchiv-Euskirchen
© Sammlung Woenge.de





© Copyright Kreisarchiv Euskirchen - Copyright nikola-reinartz.de - Copyright nikolaus-reinartz.de ©