Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
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Die Gründung Mariawalds
und der Sagenkranz um das Heimbacher Gnadenbild
Eine Untersuchung aus dem Grenzgebiet von Sage und Geschichte
Von Dr. Reinhold Heinen (Berg vor Nideggen)

C. 3. Die Verehrung der Schmerzhaften Muttergottes in der Gründungszeit des Klosters

Damit ist die Frage aufgerollt, ob das heutige Gnadenbild der Schmerzhaften Mutter bei der Gründung des Klosters und in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens überhaupt bereits vorhanden war, geschweige schon vorher, wie das Radermächer behauptet. Axer, der 1664 seine Geschichte schrieb, teilt zwar mit, daß der erste Einsiedler in Mariawald, Johannes – nicht der ihm völlig unbekannte Fluitter – „ein anoch daselbst erfindlich dolorose bildnus der schmerzhaften Muttergottes Mariae“ bei sich hatte (Grubenbrecher, S. 393). Aber diese Angabe ist fast zwei Jahrhunderte später gemacht, also bei aller Genauigkeit Axers für sich allein wenig beweiskräftig für die Frage, ob das Gnadenbild bei der Gründung des Klosters bereits vorhanden war oder nicht. Die klare Beantwortung dieser Frage ist bei dem jetzigen Stande der Forschung einigermaßen schwierig. Aber eine Untersuchung über die Marienverehrung in Mariawald in den ersten Jahrzehnten nach seiner Gründung und insbesondere über die Verehrung der Schmerzhaften Mutter, also des heutigen Gnadenbildes, verstärkt die Zweifel an dem Vorhandensein des Gnadenbildes bereits zu jener Zeit und an der Richtigkeit der Aufzeichnungen Radermächers noch, anstatt dieselben – wie anzunehmen wäre – zu ergänzen und zu bestätigen.

Die ausschließliche Widmung des Heiligtums auf dem Kermeter an die Muttergottesverehrung, die nach der Darstellung Radermächers angenommen werden müßte, ist zunächst nachzuprüfen an den Titeln, auf die Kirchen und Altäre geweiht wurden. Die besondere Bedeutung der Verehrung der Schmerzhaften Mutter bleibt dann zu erörtern.

Holzkapelle Duimgens, eingeweiht 1481: Die Kapelle ist geweiht der glorreichen Jungfrau Maria (gloriosissime virginis Maria), der eine Altar dem Heiligen Hubertus usw., der zweite Altar der „glorreichen Jungfrau Maria, den heiligen Jungfrauen Katharina, Barbara, Dorothea und Clara“ (Auszug der Urkunde vom 12. September 1481 bei Quix, S. 47 und Goerke, 3. Aufl., S. 13). Die Behauptung Tillmann Cremers (Heimatblätter der Dürener Zeitung, 1926, S. 18), diese Kirche sei der Schmerzhaften Mutter Gottes geweiht worden, ist unrichtig wie ein großer Teil seiner Angaben.

Klosterkirche, eingeweiht 1511: Die Kirche ist der allerheiligsten Dreifaltigkeit, dem verehrungswürdigen Sakrament, der allerseligsten Jungfrau Maria und dem heiligen Bernhard geweiht (Goerke, 3. Aufl. S. 20). – Der Hochaltar ist der allerheiligsten Dreifaltigkeit usw. geweiht. Unter den zwölf Altären befindet sich auch ein Muttergottesaltar, der aber neben der allerseligsten Muttergottes, zugleich den heiligen Jungfrauen Katharina, Barbara, Dorothea, Clara und der heiligen Elisabeth geweiht ist. (Goerke, 3. Aufl. S. 20). – Es handelt sich anscheinend um einen Altar aus der Holzkapelle, wie auch der andere Altar daraus als Bernhardaltar in der Klosterkirche wieder erscheint. (Die 1891 eingeweihte heutige Klosterkirche ist der Schmerzhaften Mutter geweiht. Realschematismus der Diözese Aachen, 1933, S. 167).

Das Kloster: In der Einverleibungsurkunde des Abtes Arnold von Altenberg vom 14. September 1487 gibt er dem Kloster den Namen „Mariawald“ (Nemus Mariae) (Goerke, 3. Aufl. S. 16), nachdem er schon in der Einverleibungsurkunde für die Kapelle vom 6. August 1483 die besondere Verehrung Mariens dem Konvent ans Herz gelegt hatte (Goerke, 3. Aufl., S. 14). Die Urkunde des Herzogs von 1489 (Quix, S. 47ff.) erwähnt ebenfalls den Namen Mariawaldt, dagegen die Bestätigungsurkunde des Papstes von 1497 (Quix, S. 50ff.) nicht (sie spricht von: loco optenkermeter), ebensowenig wie die Widmung an die Marienverehrung. Andererseits spricht die Urkunde des Erzbischofs vom selben Jahre von der der jungfräulichen Gottesgebärerin (dei genitricis Marie virginis) geweihten Kapelle (Quix. S. 53ff.), während die herzogliche Bestätigung der Einordnung der Pfarrei Heimbach in das Kloster Mariawald von 1521 (Urkunde bei Quix, S. 55ff.) nicht den Titel der Kirche und des Klosters nennt, aber hervorhebt, daß die Einverleibung „der hochgelobten himmlischen Königinne Maria, der Mutter Gottes, zu Ehren“ erfolgt. Die entsprechende päpstliche Urkunde von 1521 (Quix, S. 59) sagt weder etwas von dem Titel der Kirche noch von der Marienverehrung.

Aus dieser Übersicht ergibt sich, daß die Verehrung der Muttergottes entsprechend der Tradition des Zisterzienserordens von Anfang an eine große Bedeutung bei der Gründung des Klosters Mariawald gehabt hat, daß schon die erste Holzkapelle Duimgens der glorreichen Jungfrau geweiht war, daß aber als Hauptpatron der endgültigen Klosterkirche nicht die Muttergottes, sondern die allerheiligste Dreifaltigkeit gewählt wurde. All das spricht nicht für eine so völlig beherrschende Stellung der Marienverehrung bei der Gründung, wie man sie nach den Erzählungen Radermächers annehmen müßte. Auch nicht die Tatsache, daß keine der zahlreichen Stiftungen der ersten Jahrzehnte (bei Quix, S. 27–40 angeführt) den Muttergottesaltar zu ihrer Persolvierung vorschreibt, mit der einen Ausnahme der großen Stiftung von 1518, die aber erst rund 40 Jahre nach der Klostergründung erfolgte. (Gerhard von Berg genannt von Blens und seine Angehörigen, Quix, S. 52, Goerke, S. 22, Anm. 12.)

Was aber bei dieser Übersicht am stärksten auffällt, ist die Tatsache, daß auch nicht eine einzige dieser Urkunden von der Schmerzhaften Muttergottes spricht, die das Gnadenbild darstellt. Wenn diese Pieta, damals schon in Mariawald der Hauptgegenstand der Verehrung gewesen wäre, so hätte doch wenigstens eine einzige von den Urkunden, Kirchen- und Altarweihungen, die Schmerzhafte Mutter erwähnen müssen, der anderwärts schon lange vorher Gotteshäuser geweiht waren, z. B. 1490 in Tönnisstein bei Brohl eine Kapelle (Schorn, Eiflia Sacra, Bd. 2, S. 642).

Auch der wertvolle Schnitzaltar, der noch heute in Heimbach das Gnadenbild birgt und dessen Erwerbungszeit noch nicht festgestellt ist, (Goerke, 3. Aufl., S. 22) ist kein Marienaltar, sondern ein Passionsaltar. Wenn man ein so wertvolles und kostspieliges Kunstwerk anschaffte zur Aufnahme eines viel verehrten Gnadenbildes, so erscheint es einigermaßen befremdend, daß man dafür einen Passionsaltar und nicht einen Muttergottesaltar wählte, und daß man ferner den Altar nicht von Anfang an in solchen Maßen anfertigen ließ, die eine harmonische Einordnung des Gnadenbildes ermöglichte, während es tatsächlich offenkundig nachträglich in den Altar hineingestellt wurde. (Vgl. Wackenroder Kunstdenkmäler des Kreises Schleiden, 1932, S. 163f.)

Ferner gibt der Bottenbroicher Prior Axer in seiner 1664 niedergeschriebenen Darstellung eine ausführliche Schilderung der Tätigkeit der ersten Brüder in Mariawald (abgedruckt bei Grubenbecher, S. 386ff.). Axer schildert – zum Teil mit vielen Einzelheiten – Bau und Ausstattung der neuen Klosterkirche, wobei er die kunstvollen Fenster besonders erwähnt. Aber auch hier sucht man vergebens nach einer Andeutung von dem Vorhandensein des Gnadenbildes und von seiner Übertragung aus der Holzkapelle in den Kirchenneubau.

Die Schlußfolgerung, daß bei der Gründung des Klosters und in den ersten Jahrzehnten nachher das heutige Gnadenbild sich noch nicht in Mariawald befand und daß die Erzählung Radermächers in dieser Hinsicht unglaubwürdig ist, läßt sich kaum noch von der Hand weisen. Das Gnadenbild selbst wird von Wackenroder (S. 163) als eine „einfache Arbeit aus der Mitte des 15. Jahrhunderts“ bezeichnet, ob auf Grund der Überlieferung oder einer genaueren stilkritischen Untersuchung, steht dahin. Mit der Weichheit der Gesichtszüge und Umrißlinien wäre – soweit ein Laie dazu eine Meinung äußern darf – eine spätere Datierung wohl nicht ausgeschlossen. Das mag Fachleuten überlassen bleiben. Aber selbst die Herstellung der Figur in der Mitte des 15. Jahrhunderts würde noch nicht beweisen, daß sie damals bereits sofort nach Mariawald gekommen ist. – Es wäre schließlich nicht ausgeschlossen, daß zunächst ein anderes Bild – etwa entsprechend den Weihetiteln der glorreichen Jungfrau Maria – in Mariawald sich befand, das erst später durch das heutige Gnadenbild der Schmerzhaften Mutter ersetzt wurde.

An dieser Stelle sei übrigens ein Irrtum Goerkes berichtigt, der (3. Aufl., S. 19) ohne Quellenangabe sagt, daß die spätere Klosterkirche um die hölzerne Kapelle herumgebaut worden sei. Diese Angabe widerspricht den Mitteilungen Axers (bei Grubenbecher, S. 386), wonach die Klosterkirche erst nach dem Abbruch der hölzernen Kapelle erbaut worden ist. (“fracta praedicta lignea Capella“).





D. Radermächers Gründungsgeschichte ist eine Gründungssage







Heimatblätter, Beilage zur Dürener Zeitung, Nr. 19, S. 145-149, 20.9.1934; Nr. 20, S. 153-156, 4.10.1934; Nr. 21, S. 162-165, 18.10.1934; Nr. 22, S. 170-172, 31.10.1934; Nr. 23, S. 181-183, 15.11.1934.


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