Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von Nikola-reinartz.de und Nikolaus-reinartz.de



Annalen des Historischen Vereins 139 für den Niederrhein 1941.
Die „Krummel“ von Nechtersheim, ein Eifeler Rittergeschlecht.
Von Nikola Reinartz.





Pawin von Nechtersheim,

der dritte Sohn Johanns von Leutheroth, der die gleiche Helmzier des aufgereckten Schlangenhalses wie sein Bruder Arnold führt, 145) scheint diesem ebenbürtig an Erfolgen und Tapferkeit gewesen zu sein, wenngleich die Nachrichten über ihn nicht so reichlich fließen. Auch Pawin finden wir in noch jugendlichem Alter 1402 in einer Fehde gegen eine mächtige Reichsstadt, Köln, zusammen mit Philipp von Lutrait, Daniel von Berge und Reinart von Slenderhan als Helfer Junker Johanns, ältesten Sohnes zu Schleiden und Herrn zu Neuenstein. 146) Weiterhin erscheint er gleichfalls in den verschiedensten Beziehungen zu den Eifeler Grafen. Als Schleidener Burgmann trägt er um 1425 den Hof Selbach bei Olef zu Lehen. 147) Mit seinem Bruder Arnold leistet Pawin 1436 Bürgschaft für den Junggrafen Philipp von Virneburg, Herrn zu Saffenburg; 148) auch unterzeichnet er 1439 eine Urkunde für Graf Ruprecht von Virneburg. 149) 1433 trägt Johann, Herr zu Rodemachern, Kronenburg und Neuerburg, eine Schuld von 250 Gulden bei Pawin ab. 150) Sein größter Schuldner war ebenfalls der Jülicher Herzog. Schon 1422 erhielt Pawin eine Zahlung von Herzog Rainald; 151) 1435 hatte er Ansprüche auf Monschau in Höhe von 3300 Gulden. 152) – Von 1420 ab sehen wir Pawin sich in Erp bei Lechenich ankaufen, 153) wo er sich vielleicht zeitweilig niedergelassen hat. Damals kaufte Pawin von Luytzeroide, genannt von Nechtersheim, von Friedrich vanme Steinhus und Frau Hilgin das von der Kölner Dompropstei lehnrührige Thoenisgut daselbst. 154) 1426 verkaufen ihm Heinrich Kolff von Vettelhoven und Frau Oeda „in Erper plegen ind velde“ 77 Morgen Ackerland und drei Morgen Wald im Friesheimer Busch. 155) 1427 läßt Pawin sich von Jülich mit einem Hofe in der Nähe von Erp, in Ober-Wichterich (Air-Wichterich) belehnen. 156) Endlich erwirbt er noch 1433 einen Weingarten in Erp, gelegen hinter dem Weingarten des Junkers von Schleiden und Neuenstein. 157) – Gegen Ende seines Lebens, 1443, finden wir Pawin von Nechtersheim jedoch unter den Laten am Propstei-Lehnhofe des Münsterstiftes in Aachen; als solcher besaß er Güter zu Raeren bei Eupen. 158) Damals scheint er auch im Dienst der Abtei Kornelimünster gestanden zu haben, wie ein Brief wahrscheinlich macht, den er an den Stadtrat von Aachen unter Bezugnahme auf dessen Zwistigkeiten mit der Abtei richtete. Diese Beziehungen sind wohl dadurch entstanden, daß die 1433 genannte Ehefrau Pawins, Girtgen, 159) aus dem bei Aachen ansässigen Geschlechte von Eynatten stammte, 160) welches unter dem Namen Krummel bekannt war. Daher ist denn auch der Beiname zu erklären, den wenn Pöwen Crümmel von Nechtersheim bei Quix 161) kein Irrtum ist, schon der Vater, jedenfalls aber der Sohn, Dietrich Krummel von Nechtersheim, geführt und dem ganzen jüngeren Geschlecht der Ritter von Nechtersheim übermacht hat. 161a) Die letzte Gelegenheit, bei der wir von Pawin von Nechtersheim hören, ist ein Brief Herzog Gerhards v. Jülich vom 12. November 1448, in welchem dieser ihn zu sich bescheidet. 162) 1451 war Pawin tot, und sein Sohn Dietrich Krummel von Nechtersheim erhält die Güter des Vaters zu Raeren. 163) Das Gedächtnis Pawini de Nechtersem wurde in der Abtei Steinfeld, der er eine Rente von 14 Malter Korn geschenkt hatte, alljährlich am 27. März begangen. 164) Es scheint die nämliche Schenkung gewesen zu sein, die Schannat aus dem Steinfelder Archiv notierte: 165) „Ich Bernhart von Velbruck und ich Irmgart von Nechterssem syne eheliche husfrawe doin kunt, so as Johan von Nechterssem unsse vader und swegerher, ind Diederich von Nechterssem, syn broder, unsse swager ind oeme, in dat Closter zo Steinvelt besat han nae dode Johans von Nechterssem yrs vaders seligen 15 malder korns; dat. 1484.“ Aus dieser etwas unklaren und mißverständlichen Nachricht geht jedoch mit Bestimmtheit hervor, daß der oben bereits genannte Sohn Pawins, Dietrich, noch einen Bruder Johann hatte, der auch sonst als Sohn Pawins bezeugt ist und der Schwiegervater Bernhards v. Velbrück wurde. Ihm haben wir uns jetzt zuzuwenden.

Johann von Nechtersheim, zum Unterschiede von dem gleichnamigen Sohne Arnolds als Pawins ehelicher Sohn 166) bezeichnet, wird 1439 mit einem Hofe zu Air- (=Ober) Wichterich belehnt. 167) 1442 erbittet Pawin die Belehnung Johanns mit den von der Kölner Dompropstei lehnrührigen Gütern in Erp. 167a) Er war verheiratet mit Anna, Tochter Heinrichs von Orley, Herrn zu Befort bei Echternach. 168) Zwei Töchter gingen aus dieser Ehe hervor, Lysa und Irmgart, welche 1463 bereits beide verehelicht sind. Der Vater, Johann von Nechtersheim, ist nicht alt geworden; seine Witwe erwirbt in zweiter Ehe mit Ulrich Beißel von Gymnich am 5. Oktober 1455 die Hälfte des Hofes zu Ober-Wichterich von Dietrich von Nechtersheim. 169) – Lysa von Nechtersheim war verheiratet mit Johann Blyver, genannt Haas, der 1482 die Eheberedung seines Vetters Richard Krümmel von Nechtersheim, des Sohnes seines Oheims Dietrich, mit Katharina von Densborn unterzeichnet. 170) Ein Sohn Johanns und Lysas war jedenfalls Evert Blyver, der 1494 unter Anklage des Mordes stand. 171) Das Viertel des Guver oder Gunder Hofes zu Ober-Wichterich, mit dem Johanns Sohn, Eberhard Haas, genannt Blyver, von Prüm belehnt worden war, von ihm aber an Bauersleute verkauft und deshalb von der Abtei schließlich eingezogen wurde, kam an Eberhards Vetter Bernhard von Velbrüggen, der es 1539 für sich und seines verstorbenen Bruders Reinhard Kinder nebst einem weitern Drittel, mit dem ihre Großmutter Anna von Orley belehnt gewesen war, zu Lehen empfing. 172) Die genannten Brüder, die Sprossen der Ehe Irmgards von Nechtersheim mit Bernhard von Aldenbrüggen, genannt von Velbrüggen zu Garath (Kr. Düsseldorf) sind die Haupterben Johanns und Annas geworden. Über den Nachlaß Johann Blyvers einigen sie sich am 14. April 1502 nach dem Tode ihres Vaters mit der Mutter Irmgard, die in zweiter Ehe Johann von Gymnich zu Vischel geheiratet hatte. 173) 1503 vereinbaren die Brüder miteinander die Teilung der väterlichen Hinterlassenschaft, von der Irmgard die Nutznießung an dem „huyss zo Erp van der Bruggen upwart mit synen graven umbgayn“, dem davor gelegenen Hofe und dem Hofe zu Ober-Wichterich hatte. 174) Von Reinhard stammten die Herren von Velbrück zu Befort, von Bernhard die zu Metternich bei Euskirchen und die spätere freiherrliche und gräfliche Linie. Irmgard von Nechtersheim, deren Ahnfrau, scheint kurz nach 1525 gestorben zu sein. In der männlichen Linie wäre aber um diese Zeit der ein Jahrhundert zuvor in den Brüdern Arnold, Richard und Pawin so kraftvoll aufblühende Stamm der Ritter von Nechtersheim zum Aussterben gekommen, wenn nicht der zweite Sohn Pawins, Dietrich von Nechtersheim genannt Krummel, das Geschlecht mit seinen fünf Söhnen verheißungsvoll in das neue Jahrhundert eingeführt hätte. 175)





Anmerkungen




145)

Schannat-Bärsch II, 2, S. 129.

146)

Mitteil. aus dem Stadtarchiv von Köln 28, 1897, S. 29, Nr. 1025.

147)

Stadtarchiv Köln, Auswärtiges, Nr. 300.

148)

Annalen 57, 1894, S. 15, Nr. 326.

149)

H. Frick, Quellen zur Geschichte von Neuenahr, o. O. u. J. [Bad Neuenahr 1933], S. 215 f., Nr. 941.

150)

Urkunde im StA. Düsseldorf, Manderscheid-Blankenheim.

151)

StA. Düsseldorf, Jülich, Urkunden, Nr. 1247.

152)

Th. J. Lacomblet, Urkundenbuch IV, Düsseldorf 1855, Nr. 215, S. 252; Fahne II, S. 27.

153)

Strange V, S. 132.

154)

Annalen 55, 1892, Nr. 246.

155)

Ebd. Nr. 275, 276; ehemals Archiv Haus Beeck bei Erkelenz (nach Straßer).

156)

Annalen 57, 2, 1894, S. 12, Nr. 312.

157)

Strange V, S. 132. – Über die Erwerbungen Pawins in und bei Erp in den Jahren 1420–1437 vgl. auch die aus dem Lehnbuch der Kölner Dompropstei im Staatsarchiv Düsseldorf zusammengestellten Nachrichten in der Sammlung v. Oidtman.

158)

Quix, S. 150.

159)

StA. Koblenz, Abt. 54 A, Nr. 129.

160)

Redinghovensche Sammlung, Bd. 66, B. 124.

161)

A. a. O., S. 134.

161a)

Weiteres hierzu vgl. unten S. 32 f.

162)

StA. Düsseldorf, Jülich-Berg I, Nr. 1111

163)

Quix, S. 150.

164)

F. X. Boos, Eufalia III, Aachen 1829, S. 48.

165)

Schannat-Bärsch II, 2, S. 7.

166)

So auch StA. Düsseldorf, Jülich-Berg I, Nr. 1267; ebenda wird für das Jahr 1451 Johann von Nechtersheim als Amtmann von Brühl genannt; ich glaube, diese Angabe auch auf den Sohn Pawins als den vermutlich Ältern beziehen zu sollen. Im Zusammenhang damit wohl auch die Angabe bei Fahne II, S. 27: 1449 gelobt Erzbischof Dietrich von Köln Johann v. N. seine Forderung von 1211 Gulden vor nächsten Christtag zu zahlen.

167)

Archiv Haus Beeck (nach Straßer).

167a)

Sammlung v. Oidtman.

168)

Vgl. auch zum Folgenden die Genealogie der Herren von Velbrüggen bei Strange I, S. 61, und V, S. 73 ff.

169)

Zeitschr. d. Aachener Geschichtsv. 30, S. 220.

170)

StA. Düsseldorf, Reichskammergericht K 1081, Bl. 135. Johann Blyffer ist 1477 auch als Amtmann von Hillesheim bezeugt; Schannat-Bärsch II, 1, S. 181.

171)

StA. Düsseldorf, Jülich-Berg I, Nr. 1180. Ein Eberhart Blyffer, genannt Heße, wird auch 1467 als Testamentsvollstrecker (testamenterer) des Clais von Nattenheim genannt; Strange V, S. 121.

172)

Schannat-Bärsch III, 1, S. 121.

173)

Annalen 57, Nr. 863.

174)

Strange V, S. 130.

175)

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt Huprecht von Nechtersheim, der mit seinen beiden Brüdern Peter und Dahm von Nechtersheim ganz vereinzelt ohne erkennbare Herkunft und ohne Benennung irgendwelcher Nachkommenschaft dasteht. In einer Fehde mit Erzbischof Johann II. von Trier unterlegen, wurde er aus der Gefangenschaft entlassen und leistet nun 1469 mit seinen Brüdern und seinen Freunden Statz von Royde, Thielen Morr von Düren und Leympart von Eupen Urfehde. Die interessante Urkunde ist gedruckt bei J. N. Hontheim, Historia Treverensis diplomatica II, Augsburg 1750, S. 452. Da keiner der Beteiligten über ein Siegel verfügt, siegelt der Amtmann von Hillesheim, Everhard Blyver, genannt Hesse. 1472 schreibt Huprecht an die Herzogin von Jülich um Verständigung mit seinen Gegnern, sonst möge man ihm gestatten, sich selber Recht zu schaffen (StA, Düsseldorf, Jülich-Berg I, Nr. 1111). Ob dieser echte Haudegen auch dem Geschlechte der Ritter von Nechtersheim entstammte, muß dahingestellt bleiben. Am ehesten möchte man ihn mit den von der Heyden in Beziehung bringen; vielleicht ist Huprecht auch identisch mit dem bei Fahne für das Jahr 1450 genannten, sonst ebenfalls nicht nachweisbaren Albrecht (?) von Nechtersheim.







Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein, Heft 139, 1941, S. 1–75.



Zu „Die jüngere Generation der Ritter von Nechtersheim genannt Krummel.“ [S. 32]
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