Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von Nikola-reinartz.de und Nikolaus-reinartz.de





Ein Gedenkblatt für † Nicola Reinartz
Von Dr. Dr. h. c. Hermann Pünder, Oberdirektor a.D., MdB, Köln

In seinem 80. Lebensjahr ist Pfarrer (em.) Nicola Reinartz am 4. August 1954 in Kreuzweingarten verstorben. Eine schier unübersehbare Trauergemeinde, die von nah und fern zusammengeströmt war, bettete ihn an der Epistelseite der Chorwand der Kirche von Kreuzweingarten zur ewigen Ruhe. Diesen stillen Herrgottswinkel hatte sich Nicola Reinartz selber ausgesucht. War er doch mit der Kirche von Kreuzweingarten besonders innig verbunden. Als er im Frühjahr 1920 dorthin als Pfarrer berufen worden war, stand diese Pfarrkirche gerade vor dem Abbruch, da sie baufällig sei und viel zu klein war. Sofort griff hier der junge Pastor in seiner Heimatliebe und seinem edlen Sinn für Tradition ein. Es war ihm ein unerträglicher Gedanke, daß dieses altehrwürdige Heiligtum, zu dessen Kirchhügel schon vor Jahrhunderten fromme Eifelpilger gewallfahrtet waren, der Spitzhacke zum Opfer fallen sollte. In seiner Energie und seiner so wohltuenden menschlichen Wärme setzte er sich durch: Ein bisher für den Kirchenraum unbenutzter gemauerter Gang längs der Nordseite des Langschiffes wurde durch geschickten Bogenschlag in das Kircheninnere einbezogen. Ebenso wurde der Turm an der Westseite zum Kircheninneren geöffnet und als Beichtkapelle hergerichtet. In einem Zuge wurde auch die Orgelempore erheblich erweitert, und siehe da, der Kirchenraum war nun für die Eifelgemeinde groß genug. Gleichzeitig besorgte Pfarrer Reinartz zur Erbauung und Freude seiner Pfarrgemeinde eine schlichte Ausschmückung des ihm nun so ganz ans Herz gewachsenen Gotteshauses, entfernte allen Kitsch und stiftete selber ein Kirchenfenster, bescheiden in der unteren Ecke, geschmückt mit dem Wappen seiner eigenen Familie.

Wenn ich nun noch hinzufüge, daß Nicola Reinartz gleichzeitig bei der Preußischen Staatsregierung die Umänderung des Dorfnamens Weingarten in Kreuzweingarten erfolgreich betrieb – und zwar in treuer Erinnerung an die dem Hl. Kreuz geweihte Wallfahrtskirche seiner Pfarre –, daß er hinter seinem Pfarrgarten den Spuren des Römerkanals nachging und bis dahin noch unbekannte Teile dieser fast zwei Jahrtausende alten römischen Wasserleitung freilegte, und daß er schließlich auf dem gegenüberliegenden bewaldeten Bergkegel die Anlage einer vorrömischen keltischen Ringburg nachwies, den er mit einem großen Standkreuz zierte, habe ich an solchen markanten Taten eigentlich schon das Lebensbild dieses großen Mannes gezeichnet. Wenn ich diesem Gedenkblatt nun noch einiges hinzufüge, so glaube ich nicht, die gebührende Objektivität zu verletzen, trotzdem der teure Tote mein rechter Vetter war. Seine Mutter, geb. Gertrud Sibilla Pünder, war die älteste Schwester meines seligen Vaters, des späteren Reichsmilitärgerichtsrats H. J. Pünder in Berlin. Seine Mutter verstarb früh, und auch sein Vater Heinrich Reinartz in Kall-Heistert erlebte die Priesterweihe seines Sohnes Nicola am Maria-Himmelfahrtstage 1899 leider nicht mehr.

Daher weilte vorher und nachher mein Vetter Nicola viel in meinem damaligen Kölner Elternhaus, und unsere engere Familie hat in der Folge laufend großen Anteil am Wirken von Nicola Reinartz genommen, der im Lauf der Jahre weit über den Kreis seiner örtlichen Wirksamkeit zu einem Familien- und Heimatforscher hoher Grade wurde. Die Eifel und insbesondere sein Heimatkreis Schleiden verdanken seiner unermüdlichen Forschung unendlich viel. Es würde den Rahmen dieses knappen Gedenkblatts sprengen, wollte ich auch nur den wichtigsten Teil seiner vielen geschichtswissenschaftlichen Veröffentlichungen hier aufzählen.

Seine besondere Liebe galt der Familienforschung seiner eigenen Ahnen. Der Sinn für Familientradition und Ehrfurcht vor den Ahnen stand in unserer Familie, ebenso wie bei vielen anderen alten Eifelgeschlechtern, schon immer hoch in Ehren. Aber Vetter Nicola Reinartz gelang es, diese Familientradition durch wertvolle Urkundenfunde zu untermauern. Hierbei dürfte der am Familiennamen Pünder geführte Nachweis von allgemeinem Interesse sein, daß die Familiennamen in der Eifel durchweg erst aus der Bezeichnung einer durch Generationen ausgeübten Tätigkeit oder eines Amtes entstanden sind, und zwar um die Wende des 16. Jahrhunderts. So bezeichnete der Familienname Pünder (auch Pondern, Punther oder Punger) ursprünglich die Tätigkeit eines Mannes, der im Umkreis des Mechernicher Bleiberges mit den Pfunden des Bleies und dem Abwiegen des gewonnenen Metalls zu tun hatte. Diese Tätigkeit war eines der drei landesherrlichen Ämter der Fürsten und späteren Herzöge von Jülich, dessen Inhaber als landesherrlicher Beamter den Dienst an der fiskalischen Waage einschließlich einer ordnungsmäßigen Buchführung zu leiten und für die Einbehaltung des Zehnten und seine Abführung an die fürstliche Landeskasse zu sorgen hatte. Neben diesem Leiter einer Art landesherrlichen Steueramtes gab es damals noch die beiden anderen Ämter des Bergemeisters und des Stürtzers. Diesen für die Heimatgeschichte unseres Kreises Schleiden hochinteressanten Zusammenhängen ist Vetter Nicola Reinartz unermüdlich in allen ihm zugänglichen Archiven nachgegangen. Hierfür war besonders bedeutsam das „Weißthum des Bergrechts bei dem Bleyberg zu Call" aus dem Jahre 1494. Ob die dort behandelten drei landesherrlichen Ämter in den betreffenden Familien rechtlich erblich waren, ist unsicher, jedenfalls waren sie es aber tatsächlich, so daß sich auf ganz natürliche Weise aus der Amtsbezeichnung der Familienname entwickelte. Bezüglich der Familie Pünder hat dies Vetter Nicola Reinartz aus alten Kirchenbüchern, Grabsteinen, Hausbalken, Herdplatten und Urkunden einwandfrei nachgewiesen. Schließlich blieb der so entstandene Familienname auch erhalten, als die Familie das ursprüngliche landesherrliche Amt nicht mehr innehatte, sondern sich vornehmlich der Landwirtschaft zuwandte. Solche wertvollen Forschungen haben der Familie Pünder die einwandfreie Kenntnis einer lückenlosen Ahnenfolge von 13 Generationen durch ziemlich genau ein halbes Jahrtausend vermittelt. Die wechselvolle Geschichte dieser alten Eifeler Familie am Mechernicher Bleiberg ist fast ausnahmslos in den zum Kreis Schleiden gehörenden Dörfern Kali, Wallenthal, Scheven, Heistert, Hostel und Lückerath abgerollt. Der „Pünderhof" in Heistert ist heute noch im Besitz der Familie, ebenso wie der alte Stammhof in Lückerath. Auch gibt es im Mechernicher Bleibergwerk noch heute einen „Pünderstollen".

Es wäre erstaunlich, wenn Nicola Reinartz, der nicht nur ein bedeutender Heimatforscher, sondern vornehmlich ein sehr frommer Priester war, nicht auch der Frage nachgegangen wäre, wieviel Familienangehörige sich durch die Generationen hindurch gleich ihm dem geistlichen Stand gewidmet haben. Hierüber hat der Jubelpriester anläßlich der Feier seines goldenen Priesterjubiläums am 6. Oktober 1949 in Kreuzweingarten einen Vortrag gehalten, der zusätzlich noch eine ganze Fülle geschichtlichen Materials zur Heimatkunde des Kreises Schleiden barg. Dieser Vortrag brachte nicht weniger als 64 männliche Familienangehörige geistlichen Standes. Die meisten von ihnen waren Pfarrer in Eifeldörfern des heutigen Kreises Schleiden, darunter auch eine ganze Anzahl von Dechanten, Jubelpriestern und Geistlichen Räten. Auch Gymnasialprofessoren, Schloßgeistliche und Domvikare finden sich in der langen Liste. Manche stiegen zu hoher geistlicher Würde empor, wurden Domkapitulare am Hohen Dom zu Köln oder in Aachen und Stiftsherren an St. Maria im Capitol in Köln. Verhältnismäßig zahlreich waren auch die Ordensgeistlichen. So lesen wir mit Ehrfurcht die Namen vieler Trappisten vom nahen Kloster Mariawald, Mönche von Steinfeld, Kapuziner, Jesuiten, einen Missionar im fernen Indien, Prämonstratenser, mehrere Prioren und nicht zuletzt den Abt Johannes VII. der Abtei Steinfeld. Gerade zu dieser Abtei Steinfeld noch ein kurzes Schlußwort, da sie stets das besondere Interesse von Nicola Reinartz gefunden hatte. In ihrer wechselvollen Geschichte waren die schönen mittelalterlichen Glasgemälde aus dem Kreuzgang spurlos verloren gegangen. Man kann sich nun die Freude unseres unermüdlichen Heimatforschers vorstellen, als er auf einer Studienfahrt durch England diese Glasfenster aus der fernen Eifel in einem alten Schloß nördlich Londons vorfand! Der sehnlichste Wunsch des inzwischen Verstorbenen, in einer würdigen Sonderschrift mit Bildbeilagen diesen wertvollen Eifelfund festgehalten zu wissen, soll in nicht zu ferner Zeit in Erfüllung gehen.





Foto: Kreisabgeordneter Pauly, Kallheistert





Schriften und Aufsätze von Pfarrer Nicola Reinartz, die den Kreis Schleiden betreffen

  1. Die „Alte Kirche" zu Hellenthal, eine Steinfelder Klostergründung um 1097. Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein. Heft 136.

  2. Neue Dokumente zur Geschichte Dietrich IV. von Manderscheid-Schleiden. Annalen. Heft 135.

  3. Beziehungen des Jülichschen Herzoghauses zum Kloster Mariawald. Annalen des Historischen Vereins f. d. Niederrhein.

  4. Das Leichenbegängnis des Grafen Dietrich IV. von Manderscheid-Schleiden 1551. Annalen. Heft 125.

  5. Die „Krummel" von Nechtersbeim, ein Eifeler Rittergeschlecht. Annalen. Heft 139.

  6. Stolzenburg und Dahlbenden. Mitteilungen der Westdeutschen Gesellschaft f. Familienkunde, Band XIII, Heft 1.

  7. Die Jülicher Bergbeamten im Wildbann Kall. Mitteilungen, Band XI, Heft 3.

  8. Servatius Hyrt, Pastor in Schleiden 1533-1569. Im Selbstverlag des Verfassers.

  9. Christian Vossell, Bergwerks-Unternehmer, Hüttenmeister und Kaufhändler am Bleiberge, 1672 Bürger der Stadt Euskirchen. Im Selbstverlag des Verfassers.

  10. Zwei Förderinnen kath. Jugenderziehung im Eifellande, Mechtild Dahmen 1717-1801 und M. Elisabeth Dahrnen 1720-1799. Im Selbstverlag des Verfassers.

  11. Die alten Glasgemälde aus dem Kreuzgang der Abtei Steinfeld. Heimatkalender des Kreises Schleiden 1953.

  12. Neues zur Romantik und Geschichte des Feytales. Euskirchener Volksblatt.





Heimatkalender Kreis Schleiden Eifel, 1956, S 60-62.


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