Leben und Werk von Nikolaus Reinartz, |
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Steinfelder
Kreuzgangscheiben
Die Glasmalereien aus dem Kreuzgang des Klosters Steinfeld zählen zu den bedeutendsten Werken rheinischer Glasmalkunst des frühen 16. Jahrhunderts. Die Ikonographie der Fenster ist ein kunstwissenschaftliches Thema, die Geschichte ihres Verbleibs ein spannendes Thema und in ihrer Auswirkung auf die, welche die Glasgemälde entdeckten, ein menschlich anrührendes oder gar beglückendes Thema. Nach dem Tod von Karl Otermann war es ruhig geworden um die Kreuzgangscheiben aus Steinfeld. Der zu früh verstorbene Kreisarchivar und Geschichtsvereinsvorsitzende hatte nach der großen Publikation von 1955 durch Josef und Willi Kurthen die Spurensuche wieder aufgenommen und durch den Kontakt mit dem englischen Kunsthistoriker David J. King von der Universität Norwich ein neues Kapitel aufgeschlagen. Otermanns Beitrag im Kreisjahrbuch 1978 brachte ein Zwischenergebnis. |
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Der Beitrag im Innern dieses Begleitheftes vermittelt in der Art eines Reiseberichts eine Vorstellung, wo in Ost-England die Steinfelder Arbeiten zu finden sind und wie sie auf den Betrachter wirken. Vorangegangen war die wissenschaftliche Forschungsarbeit David Kings, dessen Resumee der Aufsatz aus dem Jahre 1978 bildet. Auch wenn er nicht alle neuesten Kenntnisse und Vermutungen einbezieht, da er nicht überarbeitet werden konnte, so schlüsselt er doch erstmals die Fund- und Verbreitungsgeschichte der Steinfelder Scheiben in Ost-England auf und bereichert dadurch unser Wissen ganz erheblich. Verein der Geschichts- und Heimatfreunde des Kreises Euskirchen e. V. Dr. Reinhold Weitz |
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Übersichtsplan des Steinfelder Kreuzganges Der heutige Steinfelder Kreuzgang wurde in zwei Bauabschnitten errichtet: von 1490 bis 1509 und von 1509 bis 1517. Die Ausmaße sind 35 m x 27 m. Bei einer Gangbreite von 3,28 m betragen die Innenmaße 28,50 m x 20 m. Die Höhe des aus 32 Jochen bestehenden Kreuzganges beträgt 4,20 m. Die Verglasung begann unter Abt Johann Schuys von Ahrweiler mit Fenster 1(I). Das Ahrweiler Stadtwappen ist in Joch 32 angebracht. Da unter diesem Abt Johann von Ahrweiler die ersten 17 Fenster mit Glasgemälden gestaltet worden sind, dürfen wir annehmen, daß er auch den ganzen Zyklus geplant hat. Die Folge der Fenster ist von 1 an linksläufig. Da man die drei kurzen Brunnenfenster als eines gezählt hat, ergibt sich die Gesamtzahl 27. Die Verglasung der drei kurzen Brunnenhausfenster war nicht in den Gesamtzyklus des Kreuzganges einbezogen, sondern erhielt als Fenster (F XXV) mit a, b, c eine eigene Thematik (s. Neuss, 1955, S. 252). Der Zyklus des Kreuzganges mit dem großen Thema der Heilslehre ging ungestört von F XXIV unter Auslassung der Fenster des Brunnenhauses auf F XXVI und Schlußfenster F XXVII über. In Fenster 27 (XXVII), von dem bis heute lediglich zwei Inschriftenfragmente der Hauptbildbekrönungen in der Kirche Warham St. Mary bekannt geworden sind, ist die im Dezember 1973 nach rund 170jähriger Abwesenheit nach Steinfeld zurückgekommene Scheibe "Apostel Simon" eingesetzt worden.
In den Fenstern (dreibahnig) sind die Hauptscheiben (Maße ca. 95 x 55 cm) mit h gezeichnet (1 = links, m = Mitte, r = rechts). Die Sockelscheiben (Maße ca. 60 x 55 cm) tragen die Abkürzung S mit den Zusätzen 1, m, r. Die lichten Maße der dreibahnigen Fenster sind 2,56 x 2,00 m. Bei den zweibahnigen Fenstern haben wir die Orientierungszeichen Sl und Sr. |
Über den Hauptscheiben stehen die Hauptbildbekrönungen Hb; auch hier ist die nähere Lokalisierung durch Hlb, Hrnb und Hrb bestimmt. Und über diesen befinden sich die Maßwerkscheiben, die mit Ml und Mr und in der Spitze mit Mo (oben) gezeichnet sind. Für die Bestimmungsarbeit treten dann noch die Abkürzungszeichen bo (- Bogen über den Hauptbildern) und U (Unterschriften) auf. |
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DAS SCHICKSAL DER GLASGEMÄLDE AUS DEM STEINFELDER KREUZGANG von David J. King Der Kreuzgang des früheren Prämonstratenserklosters wurde zwischen 1499 und 1517 in zwei Bauabschnitten wieder aufgebaut. Er hat 27 Fenster, wobei die drei des Brunnenhauses als eins gerechnet, werden; die an den Ecken angrenzenden Fenster sind zwei-, die übrigen dreibahnig. Mit ihrer Verglasung durch Glasgemälde wurde bald begonnen, aber die Fertigstellung dauerte viel länger als die des Gebäudes. Wieder gab es zwei Abschnitte, der erste dauerte von etwa 1572 bis 1542, der zweite von 1554 bis 1557. Das Brunnenhaus wurde erst ein Jahr danach mit Glasscheiben versehen. Schon wenig später begannen diese so sorgfältig entworfenen und gemalten Fenster die erste ihrer vielen Wanderungen. Als im Jahre 1583 der Truchsessische Krieg ausbrach, beschloß man, die Fenster in Sicherheit zu bringen. sie wurden sicher verpackt und noch Münstereifel transportiert. Viele Scheiben zerbrachen auf der Reise, und es dauerte zwölf Jahre, bis die gesamte Verglasung wieder eingesetzt war. Das gleiche wiederholte sich noch viermal: dreimal im 17. Jahrhundert, als die Fenster insgesamt :38 Jahre, und noch einmal im frühen 18. Jahrhundert, als sie etwa zwölfeinhalb Jahre lang von ihrem Ursprungsort weg waren. Den Gefahren der Kriege folgte schließlich die Gleichgültigkeit des Jahrhunderts der Aufklärung. Im September 1785 wurden die Fenster wieder herausgenommen, in Kisten verpackt und in der Michaelskapelle des Klosters abgestellt, was damit begründet wurde, daß der Kreuzgang zu feucht und dunkel sei, wenn die Scheiben an ihrem alten Platze wieder eingesetzt würden. Die Entscheidung, die Glasgemälde zu entfernen, wurde einige Jahre später durch die Auflösung des Klosters während der Napoleonischen Kriege endgültig. Im Jahre 1802 wurden die Bildfenster verkauft und nach England gebracht, ebenso wie die Bildfenster anderer Klöster und Kirchen im Rheinland, darunter auch die des nahegelegenen Klosters Mariawald. Josef und Wilhelm Kurthen vermuten, daß wahrscheinlich zwei Personen an diesem Unternehmen beteiligt waren: auf deutscher Seite Christian Geerling, ein Kölner Wein- und Antiquitätenhändler, und auf englischer Seite Johann Christoph Hampp, ein Tuchweber und Kaufmann deutscher Abstammung, der in Norwich lebte. Über ein Jahrhundert hörte man nichts mehr von den Fenstern, bis 1904 der große englische Gelehrte Montague Rhodes James gebeten wurde, ein Verzeichnis der Lord Brownlow gehörenden Sammlung der Glasmalereien in der Ashridge Park Chapel, Grafschaft Herfordshire, aufzustellen. Wie aus dein privat gedruckten, 1906 erschienenen Katalog hervorgeht, nahm James aus dem Befund der Glasgemälde an, daß alle Fenster aus der Kirche der Abtei Steinfeld kamen. Vier Jahre später, 1910, veröffentlichte Heinrich Oidtmann in Deutschland eine wichtige Entdeckung: ein Manuskript des Jahres 1632 aus dem Trierer Stadtarchiv mit einer genauen Beschreibung der Glasmalereien im Steinfelder Kreuzgang. Dieses enthielt das Thema der Scheiben, ihre Inschriften und Daten sowie ihre genauen Positionen. Das Thema der Hauptscheiben war das Leben und Leiden Christi, einschließlich vorausgegangener Geschehnisse und anderer bis zum Jüngsten Gericht mit Darstellungen von Himmel und Hölle. In den Oberteilen der Fenster und in den Maßwerkscheiben waren kleinere Szenen und Inschriften des Alten und Neuen Testamentes abgebildet, die sich auf die Hauptszenen darunter bezogen. Diese typologischen Parallelismen stammten aus verschiedenen damals bekannten mittelalterlichen Quellen, wie die "Biblia Pauperum" und das "Speculum Humanae Salvationis". Die Sockelscheiben zeigten Figuren kirchlicher Würdenträger, die mit den religiösen Häusern der Landschaft verbunden waren, zusammen mit ihren verschiedenen Patronen und anderen Heiligen. Das dritte und wesentliche Glied in dieser Kette von Ereignissen wurde zu etwa derselben Zeit hinzugefügt. James' Katalog der Ashridge-Sammlung, privat gedruckt, hatte keine weite Verbreitung. Aber glücklicherweise und auf ungewöhnliche Art machte James Gebrauch von seiner Auffindung der Steinfelder Fenster in einem anderen Werk, das einem Manne bekannt wurde, der die Bedeutung dieser Entdeckung voll und ganz zu schätzen wußte. Im Jahre 1904 veröffentlichte James ein Buch mit dem Titel "Ghost Stories of an Antiquary" (Geistergeschichten eines Altertumsforschers), eine Sammlung geheimnisvoller Geschichten, die eine phantasiereiche Ausschmückunq spannender Situationen waren, in die er durch seine Arbeit als Archäologe und Kunsthistoriker gebracht worden war. Eine der Geschichten heißt "The Treasure of Abbot Thomas" (Der Schatz des Abtes Thomas) und berichtet über den Versuch eines englischen Altertumsforschers, den heimlich vergrabenen Schatz des Abtes Thomas von Steinfeld zu finden. Er hatte eine rätselhafte Inschrift entziffert, die in drei Scheiben der alten Glasgemälde verborgen war, die der Abt seiner Abtei vermacht hatte und die der Altertumsforscher in einer privaten Kapelle in England gefunden hatte. Der Titel dieser Geschichte wurde 1907 im "Eifelvereinsblatt" aufgeführt und so Pfarrer Nikola Reinartz bekannt. Ein Jahr später, als Reinartz diese "Ghost Stories" und als er die oben erwähnte Geschichte las, erkannte er sogleich, daß es sich um Wichtiges handelte. Er fand schließlich den Weg nach Ashridge Park und war hocherfreut, bestätigen zu können, daß diese Glasmalereien aus Steinfeld stammten, wie es M. R. James im Katalog aus dem Jahre 1906 dargelegt hatte. Man kann an dieser Stelle nicht alle weiteren Schritte verfolgen, die in der Veröffentlichung von 1955 ihren Höhepunkt fanden. Die Hauptereignisse sind folgende:
Es gab verschiedene Veröffentlichungen über die Fenster, manche sind unter schwierigen Bedingungen in der Kriegszeit entstanden. So konnte erst 1955 in dem schon genannten Werk "Die Glasmalereien aus dem Steinfelder Kreuzgang" eine vollständige Beschreibung des gesamten Beweismaterials mit Illustrationen und kunsthistorischen Erläuterungen der noch vorhandenen Glasgemälde gegeben werden. Im Jahre 1970 begann der Verfasser an einer Studie über alle mittelalterlichen Glasmalereien zu arbeiten, die man in der Grafschaft Norfolk in England findet. Diese Arbeit erfolgt im Rahmen der Vorbereitung zur Veröffentlichung des Norfolk-Teiles des "Corpus Vitrearum", einer internationalen Reihe, deren Ziel es ist, eine vollständige Beschreibung, Illustration, Dokumentation und kunstgeschichtliche Untersuchung aller mittelalterlichen Glasmalereien zu bringen. In Norfolk gibt es etwa 250 Gebäude, die Überreste mittelalterlicher Glasmalereien enthalten; die meisten dieser Glasgemälde waren natürlich ursprünglich für die örtlichen Kirchen und Landhäuser gedacht und stammen meist aus dem 15. Jahrhundert, jedoch nehmen die im 19. Jahrhundert nach England importierten Fenster, vorwiegend aus der Normandie und dem Rheinland, einen ziemlich großen Raum ein. Viele der Fenster waren früher als "flämisch" bezeichnet worden, doch bei genauerer Untersuchung stellte sich bald heraus, daß mehrere der Glasscheiben eine starke Ähnlichkeit mit denen im Victoria and Albert Museum aufwiesen, die aus Steinfeld stammen sollen. Dies führte zum Studium der Literatur über diese Bildfenster und zu der Erkenntnis, daß die ausführlichen Beschreibungen in den entdeckten Manuskripten eine endgültige Identifizierung aller möglicherweise noch zu findenden Scheiben ermöglichen. |
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Auf diese Weise und natürlich mit Hilfe des sichtbaren Beweises der schon gefundenen Fenster, insbesondere die Tatsache, daß das bauliche Rahmenwerk der Hauptszenen dem einiger Norfolk-Fenster genau entsprach, konnten bald weitere Scheiben der Haupt- und Sockelbereiche identifiziert werden. Erst später erkannte ich an den Formen der Scheiben, den lateinischen Beschreibungen und besonders mit Hilfe der Inschriften, daß Scheiben und Fragmente in Hevingham, Chedgrave, East Bilney, Stisted und Depden tatsächlich aus den Bekrönungen der Hauptscheiben und dein Maßwerk der Steinfelder Kreuzgangfenster stammten. Der Fund in Wisbech St. Mary erfolgte dank eines Hinweises von Dr. Richard Marks, die Glasgemälde in Stisted und Depden wurden mit Hilfe von Dennis King erkannt. So wurden über 60 Scheiben oder Teile von Schieben aus dem Steinfelder Kreuzgang als echt festgestellt. Von diesen gehören zweiundzwanzig zu den Hauptscheiben über das Leben und Leiden Jesu Christi (davon eine über das Jüngste Gericht); für Fenster XI wurden alle drei fehlenden Scheiben der Hauptbilder entdeckt. Elf weitere sind Sockelscheiben und zeigen Heilige und Stifter; zu diesen gehört die Figur des hl. Simon aus Fenster VI, die nach Steinfeld zurückgekommen ist. Die übrigen Scheiben stammen aus den Bekrönunqen der Hauptbilder und den Maßwerkfenstern. Das Ergebnis ist, daß nun wenigstens einige Glasgemälde von allen Fenstern des Kreuzganges, ausgenommen die Fenster des Brunnenhauses, gefunden worden sind. Es ist nicht unsere Absicht, an dieser Stelle einen vollständigen und detaillierten Bericht über diese Entdeckungen zu geben; dies wird hoffentlich zu einem späteren Zeitpunkt geschehen. Damit jedoch Englandreisende die Kirchen besichtigen können, in denen diese Glasmalereien zu sehen sind, wird hier eine Aufstellung gegeben. Glasmalereien aus dem Steinfelder Kreuzgang in East Anglia: |
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Kirche |
Ikonographie |
Fenster |
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Norfolk CHEDGRAVE |
Zwei kniende Mönche in prämonstratenser-Ordenskleid |
Nicht bestätigt |
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All Saints |
Joseph an die Ismaeliten verkauft |
XII Mr |
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DRAYTON |
Die Prophetin Anna kommt zum Tempel |
VI Hl |
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EAST BILNEY |
Rundscheibe mit Inschrift
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XIX Mr |
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ERPINGHAM |
Geburt Christi |
II Hm |
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HASSINGHAM |
Inschriftfragment |
VII Ml |
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HEVINGHAM |
Büsten von Kapar und
Melchior |
IV Hmb und Hlb |
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Drei Engel bei Abraham
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X Hrb |
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KIMBERLEY |
Tempelreinigung |
XI Hm |
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MULBARTON |
Ein kniender Mönch und
eine knieende Nonnne, beide im weißen Ordenskleid
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Nicht bestätigt |
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WARHAM |
Verkärung
Jesu |
X Hr |
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Cambridgeshire WSIBECH |
Zwei Figuren kniender Mönche im Prämonstratenser Ordenskleidung (mit Hintergrund; zusammengesetzte Scheibe) |
XIV Sl und Sr |
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Essex STISTED |
Die Mediantiter verkaufen
Josef nach Ägypten |
XII Hrb |
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Suffolk DEPDEN |
Moses und der brennende
Dornbusch |
III Hmb |
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In einigen der obengenannten Kirchen befinden sich auch Fragmente von Glasgemälden, die nicht identifizierbar sind, die aber ohne Zweifel aus Steinfeld stammen. Der obigen Liste müssen wir natürlich die 38 Scheiben im Victoria and Albert Museum in London, die beiden in der Lord Mayor's Chapel in Bristol und die Scheibe des hl. Simon, der sein Armreliquiar trägt (Fenster V S1), und die 1973 nach Steinfeld zurückgekommen ist, hinzufügen. Betrachten wir diese Scheiben mit denen, die wir bereits kennen, so erhalten wir ein klares Bild des gesamten Zyklus. Im ganzen wird bestätigt, was wir bereits wissen. Die feinere Qualität der zeitlich früheren Fenster kann man wieder in den neu entdeckten Glasgemälden der Fenster II und IV sehen. Die Darstellung der Geburt Christi im Fenster III in Erpingham bestärkt auch die Vorstellung einer engen Verbindung zwischen diesen frühen Scheiben und den Glasmalereien aus Mariawald; denn sie ist nach derselben Vorlage gemalt wie die Mariawald-Version dieser Szene im Victoria and Albert Museum. Die zwölfjährige Unterbrechung zwischen der Herstellung der Fenster XXI und XXII spiegelt sich im Stil wieder. Das Bildfenster "Jüngstes Gericht" in Kimberley beweist, wie sehr die letzte Phase sich von den anderen Fenstern unterscheidet. Die Entdeckung einiger der kleinen Maßwerkbilder ist sehr interessant. Sie zeigt, daß hier dieselben Künstler am Werk waren wie bei den größeren Glasgemälden, und daß sie genausoviel Mühe und Sorgfalt für diese kleinen Scheiben verwandt haben. Auf den ersten Blick sehen viele von ihnen wie die flämischen Rundscheiben aus, die so oft in Privatsammlungen zu finden sind, und man fragt sich, ob noch weitere solcher Stücke auf ihre Identifizierung warten. Unglücklicherweise läßt der stark restaurierte und oft fragmentarische Zustand dieser und einiger der Hauptscheiben erkennen, daß, wie die geschichtlichen Zeugnisse annehmen, viele der Fenster schon zu der Zeit, als sie nach England kamen, beschädigt, und einige vermutlich verlorengegangen waren. |
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Die Publikation von 1955 informiert ausführlich über die ikonographischen Quellen der Darstellungen. Sie geht sogar so weit, daß sie für Szenen Bilder vorschlägt, die nur aus den lateinischen Manuskriptbeschreibungen bekannt sind. So stellten die Autoren mit Überzeugung fest, daß Dürers Kleine Holzschnitt-Passion die Quelle des Fensters XIII (Verrat des Judas) gewesen sein muß. Mit der Entdeckung der Scheibe, die sich in Warham St. Mary befindet, können wir bekräftigen, daß diese Annahme richtig war. Andererseits können wir durch die Auffindung einer weiteren Scheibe etwas berichtigen. J. und W. Kurthen vermuteten, daß die oben abgerundete Scheibe, die jetzt über der berühmten Szene von Fenster II (Überführung der Reliquien des hl. Potentinus) angebracht ist, ein Teil der Szene "Abschied Christi von seiner Mutter" war, die dem Fenster XI zugewiesen worden ist. Diese Szene ist aber als eindeutiges Steinfelder Fenster in Warham St. Mary aufgetaucht, und zwar vollständig bis auf eine kleine restaurierte Stelle und sehr ähnlich der Tafelmalerei des Jörg Ratgeb (ca. 1510) im Berner Kunstmuseum. Es ist schwer auszumachen, woher die Scheibe oberhalb der Überführungsszene kommt. Wilhelm Kurthen nimmt jetzt an, daß es eine zusammengesetzte Scheibe ist. Dies sind nur ein paar Beispiele dafür, wie die Auffindung neuer Scheiben unser Wissen über den gesamten Zyklus erweitert hat. |
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Ein anderes bedeutendes Wissensgebiet, das durch diese neuen Glasgemälde erhellt worden ist, betrifft die Frage, wie die Bildfenster nach England gekommen sind und was mit ihnen dort geschehen ist. Wie oben erwähnt, nahm man an, daß Geerling aus Köln und Hampp aus Norwich für die Einfuhr der Scheiben verantwortlich waren. Man kann jetzt ziemlich sicher nachweisen, daß Hampp tatsächlich manche der Steinfelder Glasmalereien, wahrscheinlich alle, nach England gebracht hat. Hampp stand im Mittelpunkt einiger früherer Nachforschungen. Bernard Rackham veröffentlichte 1927 im Fitzwilliam Museum in Cambridge Hampps Notizbuch, das einen Bericht enthält über den Erwerb und Verkauf einer großen Menge von Glasgemälden, die in den Jahren 1802 bis 1804 in der Normandie und im Rheinland erworben worden waren. |
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Zehn Jahre später, 1937, veröffentlichte E. A. Kent einen kurzen Bericht über Hampps Leben: Er ist 1750 in Marbach, Württemberg, geboren, emigrierte 1782 nach England und lebte dort in Norwich, wo er ein angesehener Weber und Tuchkaufmann wurde. Nach dem Frieden von Amiens, 1802, scheint er sich mit einem ortsansässigen Freund, Seth Wm. Stevenson, der Schreibwarenhändler, Herausgeber einer Zeitung und Altertumsforscher war, zusammengetan zu haben mit der Absicht, Glasmalereien aus dem Ausland nach England einzuführen und in Norwich und London zu verkaufen. Hampp starb 1825. Seine Grabplatte kann man in der St. Giles' Kirche in Norwich sehen. Sowohl Rackham als auch Kent erwähnen, daß noch Verkaufskataloge seiner Fenstertransaktionen existieren. In einem dieser Kataloge zeigt sich die Verbindung mit Steinfeld. Es handelt sich um den Verkauf alter Glasmalereien im Lagerhaus in Norwich und im Haus Nr. 7 in der Londoner Pall Mall im Jahre 1804. Die Nummern 167 - 175 des Kataloges nennen "Kleine historische Scheiben mit Heiligen und Gründern". |
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Steinfeld. Fenster XVI: rechts unten. Quirinus |
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Steinfeld. Fenster V: links unten: Maria u. Potentinus, rechts unten: Paulus u. Norbert |
Die Namen der Heiligen sind angegeben und entsprechen - bis auf einen - den in den Steinfelder Bildfenstern aufgezeichneten, einschließlich der beiden Heiligen Potentinus und Quirinus. Auch ein heiliger "Virinus" ist aufgeführt, sicherlich fälschlich für "Quirinus". Der Fehler ist wohl darauf zurückzuführen, daß beim Reparieren der Fensterscheibe, die sich jetzt in Erpingham befindet, der Anfangsbuchstabe des Namens auf dem Heiligenschein durch Blei verdeckt worden war und so der Name als Virinus gelesen wurde. Diese letzte Einzelheit läßt keinen Zweifel daran aufkommen, daß die im Katalog von 1804 verzeichneten Scheiben teilweise zu den Steinfelder Glasgemälden gehörten. Obwohl wir uns jetzt über die Beziehungen Hampps zu den Bildfenstern im klaren sein können, wissen wir nichts über die ersten Käufer der Glasgemälde in England, wohingegen bekannt ist, daß Hampp einige französische Bildfenster an Lady Beauchamp-Proctor verkauft hat. Allerdings ist uns einiges aus der jüngsten Geschichte der wiederentdeckten Scheiben bekannt. So geht aus einer Inschrift in der Kirche St. Mary in Warham hervor, daß der Pfarrer W. H. Langton die Kirche mit Glasgemälden ausgeschmückt hat. Er starb 1836 im Alter von 73 Jahren. So ist es durchaus möglich, daß er selbst Bildfenster direkt von Hampp und Stephenson gekauft hat, darunter weitere rheinische Scheiben, wie eine bisher nicht identifizierte aus Altenberg oder St. Apern (Köln) und französische Glasgemälde. Die Geschichte des Glasgemäldes, das seit 1973 wieder in Steinfeld ist, hat einen rätselhafteren Hintergrund. Es wurde 1970 bei einer Auktion im Hause Sotheby, London, erworben als Teil einer Sammlung von Glasgemälden, zu denen auch die Scheibe, die jetzt in Drayton ist (Prophetin Anna), gehörte. Dieser Bestand kam aus einer Privatkapelle eines Landhauses im Westen Englands. |
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Wir hoffen, daß die Geschichte der Glasgemälde des Steinfelder Kreuzganges noch nicht abgeschlossen ist. Es ist sehr schwer, den Fenstern, die an private Sammler verkauft worden sind, auf die Spur zu kommen, und es ist immer noch möglich, daß weitere an solchen Orten gefunden werden oder in die Auktionsräume gelangen. Der Autor setzt seine Forschungen über die Geschichte der Bildfenster seit ihrem Auftauchen in England fort. J. u. W. Kurthen haben einen weiteren, bedeutenden Fortschritt gemacht, indem sie die Werkstatt, in der die Fenster hergestellt worden sind, bestimmen konnten. Es wäre auch sehr interessant, wenn man die Vermutung von J. u. W. Kurthen beweisen könnte, daß die Scheiben der Ashridge-Sammlung, die Szenen der hl. Barbara zeigen, aus dem Krankensaal in Steinfeld stammen, da der Schreiber dieses Berichtes noch andere Scheiben aus dieser Reihe gefunden und die derzeitige Forschung über die Ikonographie der hl. Barbara, die literarischen Quellen des ziemlich ungewöhnlichen Themenkreises der Glasgemälde, aufgedeckt hat. |
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Alle diese neueren Forschungen werden hoffentlich das Thema einer detaillierten und vollständig illustrierten Monographie werden, die als Ergänzung und Fortsetzung zu der Veröffentlichung von 1955 vorgesehen ist. |
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STEINFELDER SCHEIBEN IN OST-ENGLAND - EIN REISEBERICHT von Ursula Wohlfahrt Ein Besuch im Victoria and Albert Museum hat mein Interesse an den alten Scheiben geweckt. Ungeachtet der Schwierigkeiten, die sich für einen Laien ergeben, habe ich mir vorgenommen, die in den Dorfkirchen rund um Norwich verstreuten Fensterreste zu suchen und zu fotografieren. Neugier und Ausdauer mußten fehlendes Wissen ersetzen. Ohne die Unterstützung des Geschichtsvereins Euskirchen wäre das Vorhaben kläglich gescheitert. Dank der Hilfe von Herrn Dr. King persönlich haben wir fast alle neuentdeckten Scheiben gefunden und fotografiert. Bei diesen handelt es sich nicht nur um Haupt- und Sockelscheiben, sondern vorwiegend um gut erhaltene Teile aus den besonders zerbrechlichen Maßwerkscheiben, ein großer Teil der Funde besteht allerdings nur aus bruchstückhaften Resten. In kurzer Zeit und unter recht ungünstigen Bedingungen haben wir die Fotos von den wiedergefundenen Schätzen machen können. Glücklicherweise ist uns wenigstens eine farbgetreue Wiedergabe gelungen, aber selbst ein farblich korrektes Foto kann die Lebendigkeit des Lichtspiels nicht wiedergeben und die Leuchtkraft der Glasmalereien auch nur andeuten. Die Glasbilder leben vom natürlichen Licht mit seiner wechselhaften Helligkeit, und gerade dieses Zusammenspiel bewirkt den Zauber, der bemaltem und gefärbtem Glas innewohnt. Die Steinfelder Überbleibsel sind in liebevoller Kleinarbeit zu neuen eindrucksvollen Fenstern zusammengestellt worden. Das schönste ist wohl das Altarfenster in der Kirche zu Erpingham. In der unteren Reihe des vierbahnigen Fensters sind die größeren ehemaligen Hauptscheiben eingesetzt, darüber die kleineren Sockelscheiben. Im oberen Teil des Fensters sind Stücke anderer Herkunft zu sehen, die aber etwa aus der gleichen Zeit stammen. Alles zusammen ergibt ein farbenfrohes Bild, das die willkürliche Zusammensetzung nicht verrät. Ebenso farbsprühend ist das Altarfenster aus der Kirche in Warham. Das dreibahnige Fenster besteht aus sechs großen Scheiben, von denen fünf aus Steinfeld kommen. Ganz anders ist das sogenannte Warhamfenster in der Kirche zu Hevingham zusammengestellt. Es ist ein Puzzle aus vorwiegend gelb und goldfarbenen Scheibfragmenten, zum großen Teil aus Maßwerkscheiben. Trotz der Stückelung wirkt es durch die symetrische Anordnung ungeheuer ruhig. Die großartigsten Reste fanden wir in Drayton. Es ist die Darstellung der Prophetin Hanna, die auf einen Stock gestützt und dennoch leichtfüßig in den Tempel eilt. Diese Scheibe kommt als Einzelfenster sehr gut zur Geltung und ist nicht so zusammengeflickt wie viele andere. Die feine Zeichnung zeugt von dem einfühlsamen Können des Malers und macht neugierig auf weitere Zeugnisse seiner Kunst. Wenn man bedenkt, daß diese schöne Scheibe vor Jahren ebenfalls bei Sotheby zur Versteigerung angeboten wurde und heute wieder hier sein könnte, dann .... Im Gegensatz zu dieser sorgfältigen Arbeit standen die Fenster aus Kimberley. Sie stimmen farblich sehr wohl mit dem überein, was wir bisher von Steinfeld gesehen haben, aber die Darstellung ist so grob, daß wir anfangs an der Steinfelder Herkunft zweifelten. Wiederum wissen wir, daß die jüngeren Scheiben der Kreuzgangverglasung in der Qualität ganz beachtlich von denen älteren Datums abweichen. Außerdem mag es ein künstlerischer Streich sein, die Verdammten in der Hölle so erschreckend verzerrt zu zeichnen. In Stisted fanden wir weitere Fragmente aus der "modernen" Zeit der alten Fenster. An drei weiteren Orten warteten angenehme Überraschungen auf uns. In Depden war erst einmal die Kirche auffällig. Während die meisten der mittelalterlichen Kirchen einen recht vernachlässigten und renovierungsbedürftigen Eindruck machten, war dieses versteckte Kirchlein äußerst gepflegt, das Dach neu gedeckt. Auch hier fand, wie in vielen anderen Kirchen auch, nur einmal im Monat ein Gottesdienst statt. Einige der bisher besuchten Kirchen wirkten durch eine Vielzahl allzubunter Fenster mit Scheiben aus unterschiedlichen Stilepochen sehr eigentümlich (scheußlich oder kitschig darf man mit Rücksicht auf die gute handwerkliche Arbeit wohl nicht sagen). Dieser Raum hier ist schlicht weiß geUlkt und wurde nur durch das hohe Altarfenster mit Farbe belebt. Es ist auffällig quergeteilt. Die englischen Scheiben, die sich tabernakelartig über die Steinfelder Scheiben im unteren Teil türmen, drohen diese fast zu erdrücken. Zwei ehemalige Hauptscheiben und Reste aus Maßwerken sind hier ebenso liebevoll zusammengesetzt wie in Hevingham. Die beiden Scheiben hoch oben im Glockenturm von Honingham zählen zu den schönsten wiedergefundenen Stücken. Die Madonna im Strahlenkranz und Johannes der Täufer gehörten ursprünglich zusammen in eine Sockelscheibe, ihre Gesichter sind ebenso ausdrucksvoll gemalt, wie wir es bei der Hanna schon bewundert haben. Anfangs vermutete Dr. King, daß diese Scheiben aus dem Mariawalder Kreuzgang stammen könnten, heute glaubt er an die Steinfelder Zugehörigkeit. Gut versteckt waren die Glasreste in der Kirche zu East Bilney. Nach langem Suchen haben wir die kleine runde Scheibe in einem Wandschrank gefunden. Trotz des handlichen Mitnahme-Formats steht sie wohl heute immer noch dort. Bruchstücke einer weiteren Sockelscheibe sind zu einem Rondell verarbeitet, das man heute im Elisabethan House Museum in Great Yarmouth sehen kann. Ganz zufällig hat Dr. King eine weitere Scheibe aus Steinfeld in einem Kalender gefunden. Die guterhaltene Hauptscheibe ist heute in Amerika und vermutlich nicht die einzige, die dort hingelangt ist. Das Bush-Reisinger Museum hat uns freundlicherweise ein Foto der Scheibe zur Verfügung gestellt. Viel Mühe und Geduld war notwendig, um aus dem Bildersammelsurium die Ausschnitte für eine maßstabgerechte Rekonstruktion der Kreuzgangverglasung zusammenzustellen. Die weitere Verarbeitung hätte ein Speziallabor für eine horrende Summe übernommen. Da unsere Mittel ein solch kostspieliges Verfahren nicht erlaubten, haben wir auf die fachgerechte Bearbeitung verzichten müssen und in Eigenregie eine Rekonstruktion zusammengebastelt, die aufgrund der bescheidenen Technik nicht so brillant ist, aber trotz der Mängel einen Eindruck von der Vielgestaltigkeit der Kreuzgangverglasung vermitteln kann. Mit unserer Arbeit wollen wir wieder auf die verlorengegangenen Schätze aufmerksam machen. Die kunsthistorische Bedeutung der Malereien kann nur ein Berufenerer als wir würdigen. Wenn Sie nun fragen, warum uns ausgerechnet die Steinfelder Glasmalereien so fasziniert haben, obwohl es doch weitaus schönere Glasfenster als diese gibt, so müssen wir gestehen, daß es gerade die Schwachpunkte und Unzulänglichkeiten in diesem Werk sind, die unser Interesse wachhalten. Wenn man sich ein wenig mit dem Fensterzyklus befaßt, tauchen immer neue Fragen auf, aber eines wird ganz deutlich: Trotz aller Zwiespältigkeit zeigen diese Bilder auf eindrucksvolle Weise, welch wunderbare Einheit erzielt werden kann, wenn Farbe und Licht miteinander verschmelzen. Wieviel reicher werden wir, wenn wir zur Einsicht gelangen, daß unser Leben und Schaffen ebenso einheitlich wird, wenn es von göttlichem Licht bestimmt und durchleuchtet wird. |
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Begleitheft zur Ausstellung
Steinfelder Kreuzgangscheiben - wiederentdeckt in
englischen Kirchen in der Zweigstelle Kall der
Kreissparkasse Euskirchen, November 1990 |
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