Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von Nikola-reinartz.de und Nikolaus-reinartz.de





Die Steinfelder Gründungssage vom Bonschariant
Von Nikola Reinartz, Pfarrer i. R.

Teufelssagen im Zusammenhang mit bedeutenden und hervorragenden kirchlichen Bauwerken spielen im Volkserzählgut der Vergangenheit, aber auch z. T. heute noch eine nicht geringe Rolle. Es ist hier nicht der Ort, die einzelnen Örtlichkeiten aufzuzählen, von denen entsprechende Sagen berichtet werden; meistens gibt dabei der Teufel, der von seinen irdischen Partnern hintergangen und überlistet wird, eine sehr klägliche Figur ab 1). Im folgenden soll nun von einer solchen Sage, in welcher aber der Teufel nicht nur der Geprellte, sondern auch der Helfer, der gute Diener ist, gehandelt werden. In dieser Eigenschaft erscheint er in der Erzählung unter dem aus dem Altfranzösischen stammenden Namen Bonschariant oder Bonsergeant d. i. guter Diener, Gutknecht oder Gutknapp. Überliefert ist die Sage in einem in der Stadtbibliothek zu Trier unter Nr. 1992 / 344 aufbewahrten, noch unveröffentlichten Reimkodex des Klosters Steinfeld in der Eifel, der kurz nach 1628 geschrieben wurde 2). Die unter dem Titel „Eine Hystory von Bonschariant und Fundation des Closters Steinfeld“ hier mitgeteilte Sage, die eine der einleitend gekennzeichneten Teufelssagen darstellt, ist eine selbständige, im einzelnen aber ergänzte und weiter geführte Übertragung eines lateinischen Reimgedichtes 3), das von Jakob Katzfey 1854 in seiner „Geschichte der Stadt Münstereifel und der nachbarlichen Ortschaften“ 4) nicht ganz fehlerfrei abgedruckt wurde 5). Wie Katzfey bemerkt, sind ihm Autor und Alter des Gedichtes nicht bekannt gewesen, seine Vorlage aber stamme von der Hand des Steinfelder Kanonikus Hansen, der später Pfarrer in Steinfeld war. Doch erfahren wir den Namen des Verfassers und das Alter des Gedichtes aus einer Bemerkung von Gorg Bärsch in dessen 1857 erschienenem Büchlein über Steinfeld, wonach sich der Verfasser selbst am Schlusse des Gedichtes mit den Worten genannt hat: „Item postquam veni seu rursum sum ego Petrus Monasterii Eifliae de Ebesalia (=Wesalia) scripsi haec in Conventu Steinfeldensi a. V. C. 23 (= 1523)“ 6). Dieser Petrus von Oberwesel (de Wesalia superiore) 7), von Johannes Butzbach in seinem Auctarium unter die deutschen Schriftsteller eingereiht, Magister und Superior der Franziskaner-Observanten, in Deventer unter Alexander Hegius und Bartholomäus von Köln gebildet, gehört dem ältern deutschen Humanismus an. In jüngeren Jahren lehrte und predigte er in Koblenz mit großem Erfolge. In einem zeitgenössischen Berichte von 1509 wird er nicht weniger wegen seines frommen Lebenswandels als seines Wissens und seiner Lehre gerühmt.


Von Nikola Reinartz, Pfarrer i. R.





Die in dem genannten Trierer Reimkodex überlieferte deutsche Bearbeitung (B) der Steinfelder Gründungssage vom Bonschariant hat folgenden Wortlaut: 8)





Eine Hystory von Bonschariant und fundation des Closters Steinfelt




1

Zur Zeit, als der Erster Heinrich
Keiser war In dem Romischen Reich,
Nach Christi Zeit, als man furwar
Schreib zwentzich und neunhundert Jair,


5

Zu Colln war zur selben Zeit
Ein Bischoff, des nam war Wiffridt.
Da war ein Graff im Colnischen Landt,
Sibodo war sein nam genandt,
Sunderlich heiset er Graff von Ahr.


10

Sein geschlecht war edell allegar 1)
Zu aller ehr, tugendt und Reichtomb
War er benombtt 2), auffrichtig fromb.
Sein Christlich glaub, der war so grosz,
Er forchtet den Teuffell noch sein genosz.


15

In freien Kunsten er studiertt,
Auch hatt er Jagen und fechten geliertt.





Wie der Graff den Teuffell zum Diener bekommen





Der Graff stundt auff einen Heiligen Tag
Und er ein kindtlein tauffen sag,
Und das das sehr gesegnet wartt,


20

Daruber sich verwundertt hatt.
Er sprach zu dem Hoffmeister sein:
'Ob Ich auch so gesegnet mach sein,
Alsz Ich zur tauffen bin getragen,
Lieber Meister, wolt mir das sagen.'


25

Der Meister sprach: 'Freilich also
Bistu getaufft und gesegnet do.'
Er sprach: 'So darff 3) Ich auch nicht mehr,
Das Ich mich hinfortt segne sehr.'
Der Graff zu segnen sich auffhurtt.


30

Der Teuffell des balt gewar wurtt,
Gedacht: 'Solchem Heren dienet Ich woll,
Zum Diener der mich haben soll.'
Er kam zum jungen Graven gahen
Fur einen Diener gab er sich ahn


35

Und sprach: 'Ich heise Bonschariant
Und hab gedienet in vielen landt.'
Sibodo aber baldt vernam,
Wer er war und wan er kam.
Jedoch so forchtet er sich gar nicht;


40

Dan er war im glauben auffricht
Und dachte, er wer gesegnet sehr.
Darumb forchtet er den Teuffell nicht mehr.
Der Graff nam in zum Diener an,
Damit er groszen lob gewan:


45

In Ritterspiel und auch Tornieren
Bequam er groszen lob und ehren;
Dan Bonschariant thet ime beistandt.
Was er anfieng, den lob gewant 4).
Der Graff auch fur den Turcken zucht,


50

Der Turck moist balt geben die flucht;
Dan Bonschariant der praucht seine macht,
Den Graven er zum ehren bracht.
Viell andere Kriech hatt er gefurtt,
Darin der Graff gepriesen wurtt.


55

Bonschariant innen nicht verleist,
Wiewoll er war ein schalkiger geist.





Wie Bonschariant den Graven bei nacht durch die Lufft gefhuret hat






Am Rein sich auch ein krieg erhebtt,
Des Graven Feiandt hinwidder schwebtt.
Er kompt den Graven auch zur handt,


60

Bonschariant thet ime beistandt:
Der Feiandt wirtt alsbalt verjagt
Und der Graff sich in die ruw lagt
Hartt auff den Ofer an den Rein.
Da er dan gentzlich schlaffet ein,


65

Der Feiandt sich alsbalt sich umbwendt
Und trefft den Graven an behendt.
Der Graff war ingeschlaffen fast
Und war in seiner bester rast.
Der Feiandt kam mitt seiner Spehr


70

Wolt in erstechen durch und durch her,
Da laufft hinzu Bonschariant
Und nembtt seinen Herren bei der handt,
Wecket in und packt in auff den halsz
Unf fhuret in uber Rein gleichfalsz,


75

Und es war mitzen in der nacht,
Wan im gebett der Clerisei wacht.
Als sie nhu waren beidt allein
Und flogen oben auff dem Rein,
Schreckt sich der Graff und wirtt gar bang.


80

Bisz er uberkam, wartt im gar lang,
Er faltet seine Hendt, bittet mitt andacht,
Das seher Bonschariant miszhagt.
Er sprach zum Graven: 'Was murrestu?
Halt zu das maull und hab jetzt rhu,


85

Sunst werde ich dich hie tauffen balt,
Daruber wirstu nicht werden alt.





Wie Bonschariant den Graven errettet ausz dem Wirtzhausz, das uber Hauff gefallen





Zu ander zeit kompt Graff und Knecht
Zu Colln in die Herberch nicht schlecht.
Der Graff wartt auch schlaffen gefurtt,


90

Das Hausz alsbalt sehr krachen wurtt.
Bonschariant als ein treuw Knecht
Dem Graven im schlaff das Haubtt wegt
Und spach: 'Stand auff und eilentz lauff;
Dan das gantze Hausz falt uber Hauff.'


95

Der Graff laufft mitt dem Hembt davon 5),
Und das Hausz balt zu fhallen fangt an.
Bonschariant also errettet
Seinen Herrn, wie er offter theett.





Wie Bonschariant Drachen blutt und Leven milch für Artzenei bracht





An des Graven Edell Hausfraauw


100

Bonschariant beweisz auch trauw;
Dan Sie fiell einst in grosze Kranckheit,
Darfur keine Artzenei war bereith.
Der Doctor auch zum Graven sprach:
'Dem Krancken niemandts helffen mach,


105

Er hab dan von Leuwinnen mylch
Und bloit vom Drachen auch zugleich.'
Der Graff bedrobtt sich dieser ding;
Dan das zu hollen, war er zu gering.
Bonschariant den Graven troest,


110

Sprach: 'Wan man das so haben moist,
So will ich das bestellen gerisch 6),
Das die Graffin werdt gesundt und frisch.'
Bonschariant zugt ilents hin
Und uberkombtt balt eine Lewin.


115

Er werffet sie nidder und melckt sie,
Die milch nembt er und verwartt die.
Darnach verwundet er einen Drachen.
Den er mitt dem schwertt hartt thet rachen,
In ein geschyr kricht er das bloit,


120

Das zu der artzeney war sehr guith,
Das brengt er balt dem Doctor zu.
Da wirtt der Graff und jeder fro,
Die Graffin dardurch wirtt gesundt
Und von der großer Krankheit auffstundt.





Wie das Closter Steinfelt ist anfenglich gebauwet worden





125

Der Graff zauch offtmals auff die Jagt,
Bonschariant ime kurtzweill macht.
Ein großer Walt die Arden heischt,
Da war des Wildt am allermeist.
In dem Walt war ein felt genant


130

Steinfelt; ist nhu gar woll bekant.
Der Graff dachte dar ein Closter zu bauwen;
Dem Knecht dorffte er das nicht vertrauwen;
Dan er wist woll, das Bonschariant
An solch Werck nicht gern schluge die Handt.


135

Darum haltet er den rath heimblich,
Die gedancken haltet er allein bei sich.
Zulest findet er einen listigen fundt,
Den tet er auch Bonschariant kunth.
Er sprach zu ime: 'Mein lieber Knecht,


140

Ich hab dich offt probiertt recht,
Du wirst mir einß auch nicht versagen,
Das ich dir kürtzlich will furdragen:
Dieser Walt ist weitt von unserem Schloß,
Darumb so hab ich groß verdroß,


145

Hirhin so fern und weitt zu jagen.
Umb das gezug so weitt zu dragen,
Ein Hauß willen wir aufbauwen,
Darin beweiß du mir auch trauwen.
Das Hauß das solt ein Jaghauß sein,


150

Darin wir spillen und drinken wein.'
Das gefiell Bonschariant gar woll,
Das man sich dar solt sauffen voll.
Er sprach: 'Woll guith ich helff darzu,
das wir mogen sein lustig und fro.'


155

Der Graff sagt aber das auß list,
Dardurch der Teuffell bedrogen ist.
Bonschariant fangt an das werck,
Das fundament macht er gar sterck,
Er drog frei zu den kalck und stein,


160

Das Werck verrichtet er gantz allein.
Er macht die mauern fast und hoch,
Den Bauw macht er stattig genoch.
Als nhu der Bauw war schir vollkommen
Und der Graff hatt solchs vernommen,


165

So dacht der Graff: 'Nhun ist eß Zeit,
Das eine Kirch darauß werde bereit.'
Der Graff nam ein Creutz in die Handt
Und setzet das oben auff die Wandt,
Damit er den Teuffell abwant,


170

Das er nicht mehr anschluge seine Handt.
Doch kompt Bonschariant geflogen,
Wuste nocn nicht, das er war bedrogen,
Und brenget einen sehr groszen stein,
Den er woll konth dragen allein.


175

Den hat er mitt den Klaen gefast,
Auff dem Haubt lag die gantze last.
Als er nhu nha bei Steinfelt kam
Und das Creutz auff dem Closter vernam,
Wirtt er mitt groszem Zorn ergrimt,


180

Wirfft den stein nidder, das er fimbtt 7).
Den findet man noch bei Dieffenbach,
Dar innen ein jedermenlich sach.
Man kan auch die Zeichen im Stein
Von des Teuffels Kopf und Klaen sehen.


185

Von diesem Stein die platz im landt
Am Teuffels Stein noch wirtt genant 8),
Deweill dan disz ist offenbair,
So kan diese Hystory woll sein war.





Wie das Closter geweyet und das Heildomb von St. Potentyn darin gebracht ist worden






Do nhu der bauw war vollentzogen


190

Und Schariant war ganz bedrogen,
Wirtt von Colln Bischoff Wilfridt
Geroffen, der das Gotteshausz wihet
In die ehr Gottes und Mariae
Und des Apostels Petri glorie.


195

Der Graff thet das Closter vertrauwen
Einem Convent von Jungfrauwen
Des Ordens Sant Benedicti 9),
Den gibt er Renth und gutter frey.
Darnach der Graff noch weitters dacht


200

Na Heildomb und Patronen dacht 10).
Er zihet hin zum Bischoff zu Trier,
Die reisz war ime garnicht zu fehr;
Er pitt umb Heildomb und Patronen,
Die Gotes Zorn konthen versönen


205

Und mitt irem gebet furstahen
Dem Closter unnd gemeinen Man.
Der Bischoff laist in nit lang wartten,
Er weiset in zu dem Stifft Carden,
Da war Sant Potentyn begraben,


210

Den solt man ausz der erden haben.
Der war ein Merteler Christi schon
Und eines Konings ausz Frankreich Son,
Ein broder der Heiligen Castrinen
und Castoris, die noch erschienen


215

Zu Carden und zu Cobelentz 11)
Patroner in großer Reverentz.
Darumb diese Stiffter und Seinfelt
In eine Brudershafft sein geselt.
Als das Heildomb nhun war erhaben,


220

Lauffen zu alt und junge Knaben,
Die geistlichen und auch zugeleich
Die Weltlichen, beidt arm und reich.
Man sahe alda wunder geschehen
Durch der lieben Heiligen gebein.


225

Der Graff sich aber mehr verbleith 12),
Gutter zu geben sich erpieth.
Er rast allein uber ein nacht,
Fortt zu fharen darnha gedacht.
Des morgens geschicht ein wunderwerk;


230

Dan esz war keine gewalt so starck,
Die das Heildomb von platz konth wegen,
Dar esz zuvoren war gelegen.
Der Graff bedacht sich wunderlich,
Und mitt ime auch jedermenlich:


235

Alsbalt falt ime in seinen moith,
Das er moste geben Renthe und guith.
Er sprach: 'O Heiliger Potentyn,
So du mir wilt genedig sein,
Gebe ich Ellentz und was da bei,


240

Dasz esz des Closters eigen sei.'
Als diese Verheisung war geschehen 13),
Da last sich dragen das gebein.
Es ist bisz bero offt gehurtt,
Wie das der platz nummer durr wurtt,


245

Da disz wunder geschehen was.
Winter und Sommer gronet das Grasz.
Der Graff fhor fortt zu Wylerscheit.
Auch gab er das willig und bereit,
Darzu gibtt er noch Nechterszheim,


250

So brachten sie die provent 14) heim.
Als das Heildomb nhun kam insz landt,
Das Volck samblet sich all zur handt.
Bei Nechterszheim kamen sie all;
Sie lobten Gott mitt groszen schall.


255

Jeder sang mitt der stimmen sein:
'Nhun helff unsz Herr Sant Potentyn.'
Auff dem ortt kam ein alter man,
Der thet das gantze Volck still stahen,
Und seinen stab in die erdt stach.


260

Mitt heller Stym er rieff und sprach:
'Hier ahn sall werden offenbair,
Ob disz gebein sei Heilige Wahr.
Wan auff diesem ortt ein Brun erspringt,
Da disz gantze Volck zumall ausz drinckt.'


265

Sobald er hatt disz wortt gesprochen,
Da er seinen stab hatt gestochen,
Da springt ein Brun ausz alzuhandt.
Und ist der Brun sehr woll bekandt
Und wirtt Sant Potentyns Putz genant.


270

Den Eschputz 15) in auch etliche nennen,
Deweill sie des baums artt erkennen,
Der auffgewachsen ist ein Esch
Ausz des alten mans stab gerisch.
Das diese ding warhafftig sein,


275

Des thuet der Brun und baum noch schein.
Die Priester kamen in kleider schon,
Sie laden auff sich den Patron.
Die schar des Volcks war breidt und lang;
Man leudet die Clocken, man laisz 16), man sang.


280

Die Junfferen kam auch gegangen,
Die darna hatten grosz verlangen.
Also ist dan zu Steinfelt kommen
Sant Potentyn, wie fur vernommen.





Wie der Bonschariant vom Graven seinen abscheidt bekommen hat






Des Graven freundt zusamen gahen


285

Und beginnen einen Rath zu schlain,
Wie sie den Herren mochten berichten,
Dasz er Bonschariant mitt nichten
Hinfortt wolt folgen und geprauchen,
Das in der Teuffel nicht thet schlauchen.


290

Sie sprachen: 'Der Teufel ist schalck und quad 17),
Treib innen von dir, das ist unser rath;
Dan er mocht scheiden mitt einem stanck,
An leib unnd seell dich machen kranck!'
Der Graff, der folgt und rofft zu sich


295

Bonschariant und spricht zugleich:
'Mein lieber, treuwer Knecht, al nhu
Moißen wir scheiden ich und du.
Durch Christi Krafft gepiete ich dir,
Das du nhu mer nicht kommst zu mir!'


300

Als diß gebott so war geschehen,
Do moist Bonschariant weg flehen.





Wie Bonschariant nachmals einß dem Graven erschienen ist





Der Graff hielt sich zu der andacht,
Viell Jaire er glucklich zubracht.
Er kompt einmall zu Ellentz auch,


305

Dar wirtt er durchlauffig im bauch,
Und nachtens er zemblich wirtt kranck,
So worden ime die nachten lanck.
Er wacht und rief zu seinem Knecht,
Das der ime alsbalt Licht zubrecht.


310

Der Knecht gieng und suchet den hertt.
Ehe er widderkompt, das sehr lang wirtt,
Der Graff sehr ungedultig wortt.
Als er den Knecht nicht kommen hörtt,
Er spach: 'Wo den Teuffell pleibstu


315

Und machest mir so lang unrhu?
Warumb brengstu mir noch kein Licht?'
Des kan ich mich verwunderen nicht:
Der Teuffell war sehr balt bereit,
Eben als wan er hette bescheit


320

Widder zukommen: Er last sich sehen
An einem ortt, da die Maint schein 18),
Er sitzt und hatt ein brennent Licht.
Ehe widderkam der ander Knecht,
Der Graff wirtt seiner balt gewar,


325

Das sein Bonschariant da war.
Gott dem Herren befall er sich
Und sprach: 'Wie darffstu kommen bei mich?'
Er sprach: 'Ich dorfft nicht kommen zu dir,
Wan du nicht hettest geroffen mir.'


330

Der Graf sprach: 'Pack dich balt von hinn,
Du wirst hie haben kein gewyn!'
Der Teufel wolt sehr schwerlich weichen,
Doch thet er nicht heimblich hin schleichen;
Dan er zerbrach die Maur am Hauß,


335

Da er mitt Zorn gefharren hinauß.
Er nam einen stoill oder banck mitt sich,
Die er zerschluch sehr grimmichlich
Auff einem berch uber die baich,
Da man das darnha mannich jair sach.


340

Also scheidet Bonschariant
und ist darna nicht mehr erkant.





Von des Graven absterben






Nachtem der Graff wirtt grau und alt,
Ubergibtt er sich in Gottes gewalt.
Seine Herrschaften er den Erben laist.


345

Und er gibtt sich zur lesten rast:
Er empfangt das Heilige Sacrament
Und kompt zu einem saligen endt,
Im Closter Steinfelt wirtt begraben.
Gott moiß seine Seell im Hymel haben!


350

Fur in und all sein gantz geschlecht
Sollen pitten wir, seine Knecht,
Fur das geschlecht von Aldenahr.
Gott hab ir Seelen allegar.
Und Gott, der unß hatt all erloist,


355

Der wolt inen sein ein ewiger Troist.





Wie Steinfelt auß einem Frauwen Closter zu einem Manß Closter geworden sei 19)






Es mocht nhun aber jemandts fragen,
Wie eß sich doch hab zugedragen,
Das zu Steinfelt das erste Convent
Zu einem manß Closter sei gewendt,


360

Doweill von Graffen uff die platz
Erstlich Jungfrauwen sein gesatzt.
Diesen geben wir diß bescheit,
Welchs wir haben all bereidt,
Eß ist nicht ahn 20), sunder fur war:


365

Als hundertt und sieben und siebenzich Jair
Der Nonnen Convent da hatt gesessen,
Waren sie ires Heils vergessen.
Ire Closterzucht begunt zu schlaffen,
Gott thet sie auch mit Armoith straffen.


370

In den Zeitten, als diß geschach,
Das diß Gotteshauß also nidder lag,
Sitzet zu Colln Bischoff Fridtreich
Und zu Are Graff Dietherich.
Als die Graffschafft an diesen kam,


375


Er war ein weiser bescheidener Man,
Er reiset hin nach Steinfelt zu.
Des worden die Nonnen nicht fro:
Er ließ sie zu sich kommen all
und ernstlich innen diß befall,




380

Das sie na den Regell solten leben.
Dan wolt er innen alle notturfft geben.
Die frauwen sie berathen sich
Und sprachen alle sementlich,
Ehe sie ire sidden wolten laißen,


385

Wolten sie reumen alle straßen.
Also giengen sie balt von statt,
Und das Closter pleib unbesatt.
Als der Graff Dietherich diß so sihet,
Das er der Nonnen so wartt quit,


390

Er macht sich zum Bischoff Friedreich.
Dem ubergab Er alles zugleich,
Das Closter und Inwonner auch,
Das er alles brechte zum gutten prauch.
Von Aldenahr der Graff und Herr,


395

Der, welcher dan der Herr were,
Der solt haben gerechticheit
Des schirms des Closters jederzeit.
Beschützen solt er das treulich
Umb Gott, und das so wurtt selig


400

Und anders umb kein nutz noch guith.
Das das Closter beschweren thuet,
Davon sein dan Sygell und brieff,
Die man zu der Zeit davon schreiff.
Der Bischoff von Colln Fridreich


405

Der nam dieser sach mit fleiß an sich.
Er sandt alsbalt na Sprenckirßbach:
Da hortt man von großer Andacht.
Von dannen brengt er ein neuw Convent
Von Manßleuthen zum gutten endt;


410

Mitt schwartzen kappen kamen sie gahen
Und hatten weiße kidlen an.
Die waren zu Steinfelt zwentzich Jair
Und drei dabei, die findt man klar.
Als der Orden von Praemonstret


415

Durch alle Welt wartt außgebreidt,
Da wartt das weiß, das erst war schwartz;
Das erst war weich, das wartt do hartt.
Die ersten worden nicht vertrieben,
Sonder sie sein im Closter plieben.


420

Haben doch angethan das Kleidt
deß weissen Ordens Praemonstret.
Von der Zeit an biß auff diese stundt
Haben da Praemonstratenser gewondt,
Und das bei funffhundertt Jair balt.


425

O Gott, unß gnedig fortt erhalt.





Wo die Nonnen blieben, welche von Steinfelt gewichen sein






Nhun wollen wir schreiben von den Nonnen,
Nicht dennen, die von Steinfelt ronnen,
Doch von etlichen, die verplieben,
Wie wir dan das finden geschrieben:


430

Ein Closter wartt gebaut im dal,
Das man noch nent zu Hellendall.
Da worden etliche hin gestelt,
Die ersten waren zu Steinfelt.
Mitt anderen meher, die waren begeben,


435

Na Augustini Regell zu leben.
Die hielten Ordenszucht mitt ehren
Und dienten fleisig Gott dem Herren.
Darna wartt das Closter verbrandt,
Do worden sie na Wehr gesandt,


440

Biß das man innen versehe eine platz,
Da sie dan worden hingesatzt.
Die war bei Colln uber Rhein
Zu Dunwalt 21), da sie auch noch sein.






  1. allegar = allegader adv. durchaus; Schiller-Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch I, S. 53 unter al-allegader. Vgl. auch Vers 353 des Gedichtes.

  2. benombtt = benomet (part. von benomen) viel genannt, bekannt, berühmt; ebd. S. 234.

  3. darff = bedarf.

  4. Die kriegerischen Heldentaten, die Sibodo mit Hilfe Bonschariants vollbringt, werden in A weit ausführlicher geschildert. Ihr Ruf dringt bis nach Rom, so daß der Papst Sibodo gegen die Türken (!) sendet. Daheim glaubte man ihn tot, die Erben wollten sich schon in den Besitz der Burg Are setzen. Die Burginsassen aber, von Hungersnot bedrängt, täuschen die Belagerer, indem sie ein gemästetes Kalb hinausjagen. Da erscheint plötzlich im Morgengrauen der Graf, auf dem Rücken Bonschariants durch die Lüfte getragen, zerstreut die Angreifer und verfolgt sie bis zum Feld „Puystengraven“, wo viele von ihnen begraben sind.

  5. Die Derbheit der Scene in A ist hier gemildert.

  6. gerisch = mnd. gerisk adv. rasch, auf der Stelle: Schiller-Lüben a. a. O. II, S. 72.

  7. fimbtt: mundartlich fimmschen, surren, sausen; Rhein. Wörterbuch II, Sp. 455.

  8. Platz und Stein sind heute nicht mehr zu ermitteln. Nach einer Angabe wurde er weggebracht, nach einer andern wäre die Stelle heute verschlammt.

  9. Diese Angabe fehlt in A, wo der Text überhaupt unklar ist.

  10. Auch hier ist in A Bonschariant Berater und Helfer.

  11. Fehlt in A; dafür steht ebd. eine legendäre Lebensgeschichte und ein Wechselgesang aus dem Stundengebet der Heiligen.

  12. verbleith: mhd. verbliden, fröhlich sein, sich freuen.

  13. Nach A wäre dies in Wehr, wo Potentinus Kichenpatron ist, erfolgt.

  14. provent = lat. proventus Ertrag

  15. Nach frdl. Mitteilung von Pfarrer Wirtz in Nettersheim heißt heute noch ein Flurname daselbst „am Eschpütz“; am Brunnen steht noch ein altes Kreuz.

  16. laisz: vom griech. eleison beten, bitten.

  17. quad = mnd. quât adj. böse, schlecht, heute mundartlich kott.

  18. maint = mnd. mân, mane mânt m. und f. = Mond. Die Stelle: „Ortt, da die Maint schein“ ist Umschreibung für Abort, in A durch „mundatorium“ wiedergegeben. Auch an dieser Stelle ist die Derbheit der Scene in B gegenüber A gemildert.

  19. Das Folgende bis zum Schlusse fehlt in A.

  20. ahn = mnd.ane, ân ohne (Wahrheit).

  21. Zur Erwähnung von Kloster Dünnwald findet sich von anderer Hand noch folgender Nachtrag ad annum 1658: Emigrarunt e loco duae professe chorales quae supererant Margaretha von Weisz undt Margaretha von Virmundt cum una laica Maria Kellers, per monasteria hinc inde distributae. Vgl. L. Korth, Das Kloster Dünwald, in Annalen des Hist. Ver. f. d. Ndrh. 44, S. 65.





Der Verfasser dieser deutschen Bearbeitung der Gründungssage, der wahrscheinlich, nach Anlage und Ausdrucksform zu urteilen, auch der Autor des ganzen stattlichen Gedichtbandes ist, hat in echt klösterlicher Demut und Bescheidenheit seinen Namen verschwiegen. Wir werden jedoch nicht irre gehen, wenn wir ihn unter den gleichzeitigen Steinfelder Konventualen suchen, und zwar als jemanden, der möglichst mit der Örtlichkeit vertraut war. Denn in seiner Bearbeitung werden die wunderbaren Begebenheiten genauer lokalisiert, z. B. Vers 181, wo er vom Teufelsstein sagt: 'Den findet man noch bei Dieffenbach', oder Vers 268 f. bei dem Bericht über den Wunderstab und –brunnen: 'Und ist der Brun sehr woll bekandt und wird Sant Potentyns Putz genannt, Vers 270: 'den Eschputz in auch etliche nennen' usw. So könnte wohl Lambert Rudolfius aus dem benachbarten Tondorf in Betracht kommen, von dem sein Abt Norbert Horrichem berichtet, daß er ausgezeichnete Proben seines Geistes im Lehrgedichte gegeben habe 9). In seiner Jugend bis nach Mantua in Italien gekommen, erwarb er später die akademischen Grade eines Lizentiaten der freien Künste und der Theologie, war Präses und Lektor am Kölner Seminar und wurde vom Blankenheimer Grafen für den Konvertitenunterricht seiner Gemahlin erbeten. Nun wird wohl niemand behaupten wollen, daß er, oder wer immer der Verfasser der „History“ sein mag, ein Dichter von Gottes Gnaden gewesen sei – war die Zeit ja überhaupt noch arm an dichterischen Schöpfungen in deutscher Sprache. Der Wert und die Bedeutung der Dichtung von Bonschariant und der Klostergründung liegt vielmehr auf geschichtlichem und besonders kulturhistorischem Gebiet.

Da ist zunächst die Angabe des Gründungsdatums des Klosters zu beachten. Während der lateinische Text das Jahr 912 nennt, hat die deutsche Bearbeitung das auch sonst allgemein angenommene Jahr 920, und zwar wohl darum, weil es sich der 919 beginnenden Regierungszeit Königs Heinrichs I. angleicht, unter dem sowohl nach A wie auch B die Kirche gebaut sein soll. Freilich bleibt auch so eine Unstimmigkeit mit der Angabe bei B, daß Erzbischof Wigfrid von Köln (925–953) das Gotteshaus geweiht habe. Wir werden auf eine genaue Angabe des Gründungsjahres verzichten und uns damit begnügen müssen, zu sagen, Steinfeld sei um das Jahr 920 gegründet worden.

Während nun A die eigentliche Gründungsgeschichte Steinfelds mit der Übertragung der Reliquien des hl. Potentins von Carden a. d. Mosel abschließt, führt B die Klostergeschichte weiter, nämlich die Entwicklung Steinfelds von 'einem Frauwencloster zu einem Mannszcloster' über die schwarzen Kappenträger von Springiersbach zum weißen Prämonstratenserorden. Zum Schluß ist noch ein geschichtlich bedeutsames Kapitel angefügt: „Wo die Nonnen plieben, welche von Steinfeld gewichen sein“ 10). Die Chronologie fußt auf den Angaben von Miraeus, der etwas früher, nämlich um 1613, sein Chronicon ordinis Praemonstratensis schrieb, im allgemeinen aber nicht als zuverlässig gilt. So kann man sich auch hier des Verdachtes nicht erwehren, daß die Angaben von den 177 + 23 = 200 Jahren seit dem Gründungsjahr 920 bis zu dem ersten urkundlich feststehenden Jahre der Überweisung Steinfelds durch den Kölner Erzbischof Friedrich I. an den eben gegründeten Prämonstratenserorden 1121 auch eine Abrundung gleich jenem darstellen, nicht aber einwandfreie Jahresdaten ergeben. Die Angabe endlich von dem bald fünfhundertjährigen Bestehen des Prämonstratenserklosters ergibt die Abfassung der „Hystory“ etwas vor 1621.

Beachtenswert ist sodann der Translationsbericht des hl. Potentius von Carden nach dem Eifelkloster. Als Etappen des Prozessionsweges werden Wehr unweit des Laachersees, Willerscheid südöstlich Münstereifel und Nettersheim im Urfttal genannt, wo jederorts Schenkungen des Grafen an Steinfeld zu Ehren des Heiligen erfolgten. Ohne zu versuchen, die beschwerliche Route durch die Hohe Eifel näher zu bezeichnen, kann bei der weiten Entfernung zwischen Wehr und Willerscheid ohne weiteres angenommen werden, daß auch auf dem Stammschloß des Grafen unweit Altenahr Rast gemacht wurde. Köstlich naiv ist die legendarische Begründung der Vergabungen an St. Potentin, in denen übrigens A reichhaltiger ist als B. So heißt es dort, daß Graf Sibodo gleich bei der Gründung des Klosters demselben den ganzen Distrikt Marmagen mit dem Dörfchen ad Caesaris rubum – an oder bis zum Brombeerstrauch des Kaisers – mit dem Hochgericht geschenkt habe. Weiterhin ist bei der Übertragung der Gebeine des Heiligen dem Stift zu Carden ein Haus und als Mitgift an Steinfeld Weinberge zu Ellenz a. d. Mosel, ferner seine Besitzungen zu Wehr, ganz Willerscheid mit den Zubehörungen gegeben worden. Endlich, da St. Potentin noch nicht nach Würdigkeit bedacht worden sei, sollte er dazu noch ganz Nettersheim haben, nichts wollte der Graf davon zurückbehalten. B spricht allgemein von Renten und Gütern und nennt ausdrücklich nur Ellenz, Willerscheid und Nettersheim. Es ist nicht leicht zu beurteilen, was von dieser Dotation Steinfelds zu halten ist. Ennen 11) und Schorn 12) teilen dieselbe unbedenklich mit, jedoch ohne Quellenangabe. Paas 13) dagegen scheint sie anzuzweifeln, wenn er sagt: „Eine Bestätigung dieser Mitteilung habe ich nirgendwo gefunden“. Jedenfalls liegt eine direkte Bestätigung der Schenkung durch Sibodo in einer Urkunde aus dem Jahre 1263 vor für Ellenz, die auch Paas anführt. Für Marmagen werden die Hoheitsrechte im Weistum von 1487 14) „van wegen des hilgen Gotzhuyss zu Steynvelt ind sent Potentyns eyme abdt ind convent“ zuerkannt, „ass dye alde scheffen unse vurfairen vur recht gewyst ind an uns bracht haynt“. Ebenso geschieht es für Wahlen im Weistum von 1610 15). In einer Bestätigungsurkunde der Besitzungen und Gerechtsame des Klosters durch Erzbischof Philipp von Heinsberg v. J. 1187 16) heißt es, daß Steinfeld seit vielen Jahren in aller Ruhe besessen habe unter anderm die villa Were mit Pfarre und Zehnten, die curia zu Wilrescheys (unter den Höfen an erster Stelle genannt), die curtis dominicalie zu Marmagen mit mansi daselbst, 5 mansi zu Wahlen und Zinsen zu Nettersheim 17). Auch der Ausdruck 'Marmagen mit dem Dörfchen bis zum Brombeerstrauch des Kaisers' deutet auf hohes Alter und scheint ursprünglich zu sein 18). Ja, vielleicht dürfen wir unter dem Cäsar den gleichzeitigen 'Kaiser' Heinrich sehen, wie er auch in B genannt wird und als römischer Konsul in A. Nach allem ist man berechtigt, in der legendaren Einkleidung einen historischen Kern anzunehmen und in dem Reimgedicht des Petrus de Wesalia das älteste Güterverzeichnis des Klosters Steinfeld zu sehen.

Kulturgeschichtlich und volkskundlich nimmt die Steinfelder Gründungssage unter dem Sagenschatz, an dem die Eifel besonders reich ist 19), einen ersten Platz ein. Hier in dem von den Kraterseen der erloschenen Vulkane, den Denkmälern der Kelten- und Römerzeit, den Ruinen mittelalterlichen Burgen übersäten Gebirgsland mit seinen Wäldern, Höhlen und Klüften fanden Legenden und Sagen eine Herberge und Pflegestätte nicht nur in den Spinnstuben einsamer Dörfer und alter Städte, sondern auch in der stillen Abgeschiedenheit der zahlreichen Klöster. Oft bewegte sich auch hier um eine anziehende Geschichte mit Ernst das Gespräch, man braucht bloß an den Dialog miraculorum des Caesarius von Heisterbach zu erinnern. Dahin gehört denn auch die Steinfelder Klostersage vom Bonschariant, die nach Bärsch 20) in einer leider nicht näher bezeichneten dortigen Handschrift als antiqua traditio vel certe fabula bezeichnet wird. In derselben heißt der Name des Teufels Bonsergeant, so wie er auch deutlich zu lesen stand auf einem leider nur in der Federzeichnung des Priors Joh. Latz aus der Zeit des Schwedenkrieges 1631 erhaltenen Glasgemälde im Kreuzgang des Klosters 21). Die Scheibe trug die Inschrift: „Sabido (!) de Hoichsteden, comes des Are, primus fundator hujus monasterii“ und war eine bildliche Darstellung der Sage. Die Hauptfigur war der ehrfurchtsvoll knieende Graf mit dem Turmkreuz in der Hand, darüber das bis auf die Turmspitze vollendete „templum Steinfeldense“, dahinter dann der Name Bonsergeant. Dieser selbst war als Flügeltier mit dem Schlußstein dargestellt. Das Fensterbild, das zweite in dem ganzen von 1524 bis 1557 geschaffenen Zyklus, gehört also der gleichen Zeit an wie die dichterische Fassung der Sage durch Petrus de Wesalia. Der damalige Abt, der kunstsinnige Johann VI. Schuyß von Ahrweiler (1517–1539), also aus dem durch seine Ritter- und Teufelssagen berühmten Ahrtale, war somit ein Landsmann des Grafen Sibodo, des Helden der Steinfelder Gründungssage.

Der Gegenstand der so mit dem Eifelkloster in Wort und Bild verbundenen und bemerkenswert ausgeschmückten Teufelssage ist ja nicht allein für Steinfeld eigentümlich, er spielt, wie bereits einleitend vermerkt, in den verschiedensten Varianten um viele ältere und bedeutendere Kirchen, wie etwa um Malmedy, die Gründung des hl. Remaklus 648 22), oder ähnlich um die Stiftung Karls des Großen, das Aachener Münster 23). Dichtete die Volkssage angesichts dieser machtvoll dastehenden Kirchen die Sage vom betrogenen Teufel, so nahm im Anblick des unvollendet Jahrhunderte dastehenden Kölner Domes das Teufelsbild der Sage ganz andere Züge an. Hier hatte der Teufel seine Wasserleitung aus der Eifel 24) eher vollendet, als es der Kölner Dom war, und damit die Wette gewonnen. Dagegen spielt Bonsergeant keineswegs eine triumphierende Rolle, ja, wohl niemals hat der Teufel einen jämmerlicheren Abschied genommen als den durch den Abort zu Ellenz a. d. Mosel. Am auffallendsten ist aber, daß Bonsergeant, wie sein Name besagt, sich gut und treu zeigt, wie der „gute“ Dämon Oliver bei Caesarius. Hat ja auch Petrus de Wesalia dem Caesarius das ganze 36. Kapitel des fünften Abschnitts: 'Von dem Teufel, der in Menschengestalt einem Ritter treu gedient' zur Ausschmückung seiner Gründungssage entlehnt. Von da ist auch die Heilung der Gattin des ungenannten Ritters durch den Dämon mit Löwenmilch und Drachenblut auf die Gattin des Grafen Sibodo übertragen. Während nun Alexander Kaufmann 25) in den guten Dämonen weiterlebende Spuren aus der heidnischen Mythenwelt nachgeht und sie mit Lichtelben in Beziehung bringen möchte, sieht Heinrich Kelleter 26) in „Gutknapp“ die Personifikation des fronhörigen, heidnisch (teuflisch) gebliebenen Bergvolkes, das zum Burgenbau verpflichtet wurde. Näher aber als diese Deutungen liegt die Erklärung, die Caesarius selber gibt: Nach ihm sind nicht alle gefallenen Engel gleich schlecht; nur diejenigen, in welchen Hochmut und Neid gegen ihren Schöpfer am stärksten waren, zeigen auch bis heute die größte Bosheit und das Bestreben, den Menschen zu schaden. Als Luzifer und andere sich gegen Gott empörten, haben aber einige sich einfach mitreißen lassen, sie sind zwar auch gestürzt, aber weniger böse als die andern 27).

Wie verhält es sich aber bei der Steinfelder Gründungssage vom Bonsergeant mit der bei des Caesarius Wundergeschichten stets obwaltenden religiös-sittlichen Tendenz? Sicher haben Petrus des Wesalia und auch sein Nachfolger sich nicht lediglich von der Lust zu fabulieren und dem Bestreben zu unterhalten leiten lassen. Beider Werk galt, wie es zum Schlusse heißt, vor allem dem dankbaren Gedächtnis des in Steinfeld ruhenden Stifters. Aber auch die sagenhafte, dem Geiste der Zeit und wohl der Volksüberlieferung entsprechende Einkleidung läßt den lehrhaften und erziehlichen Charakter nicht verkennen. Es verhält sich damit ähnlich wie mit den uns oft komisch anmutenden, aus dem Alltag und der Fabelwelt stammenden Darstellungen des Steinfelder Chorgestühls aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, die sich aber einem höhern Zweck unterordnen, nämlich dem, die Tugend lehren und das Laster geißeln 28). Der Teufelsspuk, der sich am furchtbarsten im Hexenwahn des 16. und des beginnenden 17. Jahrhunderts austobte, war die Signatur der Zeit, in der die Steinfelder Gründungssage und ihre deutsche Übersetzung, geschrieben wurden. Dem gegenüber betont diese, der alten kirchlichen Lehre entsprechend 29), daß der getaufte Christ die übermenschliche Macht und Einsicht in die natürlichen Dinge und Kräfte, welche den gefallenen Engeln geblieben sind, wirklich nicht zu fürchten habe, nur darf er sich nicht mit dem Teufel einlassen, vor allem nicht durch Fluchen ihn herbeirufen, sondern muß wachen und beten und durch gute Werke sich die lieben Heiligen Gottes zu Freunden machen. Dann wird man erfahren, daß des Teufels Kraft, ob sie schon das Böse will, doch stets das Gute schafft. So grenzt sich die Steinfelder Gründungssage vom Bonsergeant wohltuend ab gegen das Theatrum diabolicum, die von Teufelsfurcht und Teufelssucht beherrschte nachreformatorische Teufelsliteratur, und ist als indirekte Bekämpfung des Hexenwahns zu werten.





Anmerkungen

  1. Vgl. etwa A. Wünsche, Der Sagenkreis vom geprellten Teufel, Leipzig und Wien 1905, S. 19–56 (Der geprellte Teufel als Baumeister).

  2. Sie steht fol. 165r bis 175r der Handschrift. Im übrigen enthält der stattliche, 201 beiderseits beschriebene Blätter umfassende Kodex im Folioformat eine farbenprächtige Schilderung der „Translation Sti. Norberti, wie er auff Prag ist bracht worden“, deren eingehende Details den Augenzeugen verraten, dann, ebenfalls in Reimgedichten, das Leben des Hl. Norbert und des „Heiligen (!) Hermanni genannt Joseph Canonichen des Premonstratenser Ordens im Closter Steinfeld, von Collen geboren“, sowie weitere Gedichte auf Heilige und Selige des Ordens nebst dem „Lobgesang des seligen Hermann Josef zu den 11000 Jonffern St. Ursulen nhun in Steinfeld in Teutsch übergesetzet ao 1622.“

  3. Das lat. Gedicht wird im folgenden mit A, die deutsche Bearbeitung mit B bezeichnet.

  4. A. a. O., Teil II, S. 200–210; ebd. die Übersetzung S. 210–219.

  5. Die ebd. beigegebene textgetreue deutsche Übersetzung des lat. Gedichtes dürfte wohl von Katzfey selbst oder von einem Lehrer des Münstereifeler Gymnasiums herrühren.

  6. Georg Bärsch, Das Prämonstratenser Mönchskloster Steinfeld in der Eifel, Schleiden 1875, S. 1.

  7. Vgl. über ihn: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 19, S. 198 u. 52, S. 231 und Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 7, S. 252.

  8. Nur die Zeichensetzung ist nach neuzeitlichen Regeln durchgeführt.

  9. Annalen des Hist. Ver. f. d. Ndrh. 8, S. 153. Von Lambert Rudolfi stammt auch die Aufzeichung und Beschreibung der berühmten Antiquitäten-Sammlung des Grafen Hermann von Blankenheim. Vgl. Anm. d. H. V. f. d. N. 99, S. 160.

  10. Vgl. Annalen des Hist. Ver. f. d. Ndrh. 136, S. 139: Die „alte Kirche“ zu Hellenthal, eine Steinfelder Klostergründung um 1097.

  11. Die ältere Geschichte des Klosters Steinfeld; ebd. 23, S. 145.

  12. In Eiflia sacra, Bd. II, S. 255.

  13. Entstehung des Klosters Steinfeld, in Annalen des Hist. Ver. f. d. Ndrh. 93, S. 5 Anm. 1.

  14. Lacomblet, Archiv, 6, S. 503.

  15. Ebd. 6, S. 304.

  16. Günther, Codex diplomaticus I, Nr. 218. R. Knipping, die Regestan der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter, II, Nr. 1282.

  17. Über diese Dotationsgüter siehe auch die Nachrichten bei G. Bärsch, Das Prämonstratenser Mönchskloster Steinfeld, S. 56, 64, 66, 85, 86, 92.

  18. Heute heißt in Marmagen noch ein Flurname „an der Kaiserstraße“. Gemeint ist die alte Römerstraße von Marmagen über die Hallentaler Mühle nach Urft-Dalbenden. Hagen, Römerstraßen, 1923, S. 95 f.

  19. Vgl. etwa W. Heydinger, Die Eiffel im Spiegel deutscher Dichtung, Coblenz 1853, Vorwort.

  20. A. a. O., S. 56 Anm. 2.

  21. H. Oidtmann, Die Glasgemälde im Kreuzgang der ehemaligen Abtei Steinfeld, in: Trierisches Archiv, Heft XVI, S. 78 ff. Dem Verfasser war die Gründungssage unbekannt, daher erscheint ihm der Name „unleserlich“.

  22. H. J. Schmitz, Sitten und Sagen des Eifler Volkes, Trier 1856, S. 113.

  23. Lersch-Savelsberg, Aachen und Umgebung, S. 39.

  24. Noch heute gibt es beim Römerkanal in Kreuz-Weingarten eine Flurbezeichnung „Am Teufelsgraben“.

  25. A. Kaufmann, Caesarius von Heisterbach, Köln, 1862, S. 136.

  26. Geschichte der Familie Pönsgen, Düsseldorf 1908, S. 4. Hier auch S. 20 die richtige Erklärung des Namens Steinfeld = Eisensteinfeld (gegenüber einer vulgären Ableitung vom Teufelsstein der Sage).

  27. Abschnitt V, Kapitel 35. Vergleiche Thomas v. Aquin, Summa theologica P. I, Qu. 63, Art. 8; P. 2–2, Qu. 24, Art. 3.

  28. Heinr. Lützeler, Das Steinfelder Chorgestühl in: Volksblatt Euskirchen, 1938.

  29. A. M. Weisz, Apologie des Christentums, Bd. II, 13. Vortrag: Teufelsdienst.





Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde, 1951, S. 61–80.


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