Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von Nikola-reinartz.de und Nikolaus-reinartz.de





Die „Alte Kirche“ zu Hellenthal, eine Steinfelder Klostergründung um 1097.
Von Nikola Reinartz

Es gibt in Hellenthal, Krs. Schleiden, eine Flurbezeichnung „Auf der alten Kirche“. Diese Flur besteht im Gegensatz zu andern aus kleinen und kleinsten Parzellen, häufig durchzogen von Mauern, an denen vielfach Brandschutt gefunden wird. Nach der Ortstradition hat hier eine Kirche gestanden. Angeblich hat man früher hier einmal ein kirchliches Gefäß, einen Kelch oder nach andern ein Meßkännchen, gefunden und dem katholischen Pfarrer übergeben. 1) Mangels urkundlicher Beweise hatte die Heimatforschung geglaubt, die Annahme einer noch früheren Kirche als die um 1520 erbaute sogenannte „Alte Kirche“, von der beim späteren Neubau nur das Chor erhalten geblieben ist, 2) ablehnen zu müssen.

Nun fällt aus den Angaben eines Steinfelder Urbars von 1260 im Düsseldorfer Staatsarchiv 3) neues Licht auf diese Frage. Nach dem Urbar besaß das Kloster Steinfeld gerade in Hellindale größeren Besitz. Dabei wird an erster Stelle eine Hofstätte als früherer Wohnsitz eines Pastors Adam genannt (area Ade pastoris in qua sedebat). Von ihr und den dazugehörenden Gütern bezog das Kloster als Pacht 7 ½ Denare, ein Malter Hafer und zwei Hühner sowie als Erbsteuer das Besthaupt (viva kurmedia). Seit rund 1350 wird an Stelle der Hofstatt des Pastors eine solche „juxta ecclesiam antiquam“, „by der alden kirchen“, unter den Zinsgütern der Abtei angeführt. Die Lage dieser „Alten Kirche“ wird vor den andern Besitzungen hervorgehoben durch die Beifügung der Worte „ante silvam“, „vor dem Wald“; das entspricht der noch heute so genannten Flur, die sich oben am Berg vor dem Wald befindet. 4) Es kann also keinem Zweifel mehr unterliegen, daß bereits vor 1260 in Hellenthal eine Kirche mit einem Geistlichen bestanden hat, welche allerdings zur Zeit der späteren Erwähnungen wohl schon verschwunden war.


Sonderdruck aus Heft 136 / 1940, Druck und Verlag: L. Schwann, Düsseldorf

Diese Feststellung hat aber mehr als örtliche Bedeutung; sie kommt wohl noch rechtzeitig, um das Entstehen einer neuen falschen Legende zu verhüten. Bekanntlich war Steinfeld von Graf Sibodo um 920 zuerst als Benediktinerinnenkloster gegründet worden. 5) Wegen Erschlaffung der Ordenszucht waren diese Nonnen 1097 durch Augustinerchorherren aus Springiersbach ersetzt worden, welche um 1121 das weiße Kleid und die Regel der Prämonstratenser annahmen. Während nun noch Bärsch die Ordensfrauen, welche das Klosterleben fortsetzen wollten, ins Schleidener Tal, allerdings irrtümlich nach Olef, übersiedeln läßt, 6) versetzt sie Paas nach dem 1,3 km von Steinfeld entfernten „Ort“ Hallenthal, wo die Grundmauern des neuerrichteten Klosters noch sichtbar zutage treten sollen. 7) Gemeint ist dabei die heute so genannte Hallenthaler Mühle, welche als molendinum in Hellindale 8) im Urbar vom Jahre 1272 angezeigt wird, aber erst 1170 vom Herzog von Limburg mit dem anliegenden Walde Duvinforst dem Kloster geschenkt wurde, also 1097, zur Zeit der Versetzung der Klosterfrauen, noch gar nicht im Besitze Steinfelds war. Darum kann aber auch die neue Klostergründung nicht, wie Paas als erster, nur auf den zufälligen Gleichklang der Namen gestützt, angenommen hat, in Hellindale bei Steinfeld gesucht werden, sondern muß bei der ecclesia anitqua in Hellindale im Schleidener Tale und an der Olef ante silvam, d. h. vor dem Hellenthaler Wald, geschehen sein. Die nach Paas bei der Hellenthaler Mühle zutage tretenden Mauern mögen von einem der zahlreichen Fischweiher oder sonstigen Bauten herrühren, die Grundmauern des neuen Nonnenklosters sind es nicht. 9) Das geht auch aus dem ältesten ausführlichen Bericht über dessen Gründung hervor. Ich finde diesen in einer zu Anfang des 17. Jahrhunderts geschriebenen Steinfelder Reimchronik. 10) Sie gibt zunächst eine neue Fassung der bereits durch Katzfey veröffentlichten Steinfelder Gründungssage von Bonscharrant, dem Helfer des Grafen Sibodo, 11) sodann aber Bl. 173 ff. wertvolle geschichtliche Nachrichten: „Wie Steinfeld auß einem Frauwenkloster zu einem Mannskloster geworden sei und wo die Nonnen plieben, welche von Steinfeld ausgewichen sein.“ Es heißt daselbst:

„Nuhn wollen wir schreiben von den Nonnen – Nicht von denen die von Steinfeld ronnen,
Doch von etlichen die verplieben – Wie wir das finden geschrieben.
Ein Closter wartt gebaut im Dall – Das man noch nennt zu Hellendall.
Do worden etliche hingestellt – Die ersten waren zu Steinfelt
Mitt anderen meher, die waren begeben – Nach Augustini regell zu leben.
Die hielten Ordenszucht mitt ehren – Und dienten fleißig Gott dem Herren.
Darna wartt das Closter verbrandt – Do worden sie na Wehr gesandt
Biß das man innen versehe ein platz – Da sie dann worden hingesatzt
Die war bei Cölln uber Rhein – Dunwalt, da sie auch noch sein.“


Handschriftlicher Vermerk von Pfarrer Nikola Reinartz
Sonderdruck (unten rechts)

Der „Dall“ ist eine ständige Bezeichnung für das Schleidener Tal. So heißt es beispielsweise in einem Steinfelder Rechnungsbuche aus dem Jahre 1527: „Den dalltzend het der pastoir van der Sleiden gegeven.“ In dem neuen Kloster kamen zu den etlichen, die vorher in Steinfeld gewesen, noch mehr von anderswo zu einem blühenden Ordensleben nach der Augustinerregel, die ja auch Steinfeld angenommen hatte, zusammen, für das, von allem anderen abgesehen, auch schon die „Cluyse“ bei der Hallenthaler Mühle nicht passen würde. Die Angabe, daß das Hellenthaler Kloster durch Brand zerstört wurde, findet ebenfalls ihre Bestätigung durch den Brandschutt an der „Alten Kirche“. Auch die kleinen und kleinsten Parzellen daselbst weisen deutlich auf einen größeren Gebäudekomplex hin, indem die zwischen den Grundmauern liegenden Plätze und Plätzchen nach und nach in Ackernutzung genommen wurden.

Da die Auflösung des Benediktinerinnenklosters Steinfeld für das Jahr 1097 feststeht, 12) wird die Neugründung des Augustinerinnenklosters Hellenthal und die Erbauung der „Alten Kirche“ daselbst um die nämliche Zeit anzusetzen sein. Lange haben beide nicht bestanden, da die Ordensfrauen von Hellenthal nach L. Kordt 13) um 1143 das Kloster Dünwald bezogen haben, nachdem sie vorher, nach der Einäscherung ihres Hauses, eine Zufluchtstätte in dem Steinfelder Besitztum zu Wehr in der Nähe des Laacher Sees gefunden hatten. Darum ist von ihnen in Hellenthal auch nur eine dunkle Erinnerung in der Flurbezeichnung „Alte Kirche“ übriggeblieben.

Kreuzweingarten.

Nikola Reinartz





Anmerkungen

  1. Frdl. Mitteilung von Herrn P. Klöser, Hellenthal.

  2. Vgl. dazu E. Wackenroder, Die Kunstdenkmäler des Kreises Schleiden (Die Kunstdenkm. D. Rheinprov. XI, 2), Düsseldorf (1932), S. 185 ff.

  3. Bis 1939 Staatsarchiv Koblenz, Abt. 231, 57, Nr. 38a.

  4. Frdl. Mitteilung von Herrn J. Heinen, Hellenthal.

  5. Zur Geschichte von Steinfeld vgl. zuletzt kurz zusammenfassend mit weiterführenden Literaturangaben N. Backmund, Lexikon für Theologie und Kirche IX, Freiburg 1934, Sp. 791 f.

  6. G. Bärsch, Das Prämonstratenser-Mönchskloster Steinfeld in der Eifel, Schleiden 1857, S. 3.

  7. Th. Paas, Entstehung und Geschichte des Klosters Steinfeld als Propstei (Ann. D. Hist. Ver. 93, 1919), S. 11.

  8. Der Name Hellenthal = Lichtental, Tallichtung, kommt zu jenem Teil der Eifel wiederholt vor; so gibt es im Urfttal die Mühle zu Hellenthal, nach den Rechnungen des v. Harffschen Archivs in Gemünd aus dem Jahre 1566, heute Anstoiser- oder Mastertmühle genannt, vgl. meinen Aufsatz Orts- und Flurnamenkunde vom südwestlichen Bleiberg (Ann. D. Hist. Ver. 129, 1936, S. 63).

  9. Die einzige, aber auch von Paas nicht herangezogene Quellennotiz, welche für seine Annahme sprechen könnte, habe ich bei der Durcharbeitung Steinfelder Archivalien in einem Pachtvertrag der Mühle zu Hallendael vom Jahre 1487 gefunden. Dort heißt es: „ouch sullen sy – die Pächter – haven dat beentchen boeven der cluysen; off wyr dye cluyse doch widder machen wurden, sullen sie neyt dair widder syn.“ Aber „Klus“ ist ein ganz gebräuchlicher rheinischer Ausdruck für einen künstlichen Teich oder eine ummauerte Quelle, vgl. J. Müller, Rheinisches Wörterbuch IV, 1938, Sp. 671.

  10. Stadtbibliothek Trier, Ms. Nr. 1992.

  11. J. Katzfey, Geschichte der Stadt Münstereifel und der nachbarlichen Ortschaften II, Köln 1855, S. 200 ff.

  12. Vgl. Paas a.a.O.

  13. L. Kordt, Das Kloster Dünwald (Ann. D. Hist. Ver. 44, 1885, S. 19).





Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein, Heft 136, 1940, S. 139–141.


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